Fragile Familie

In verschiedenen Medien kursiert die Meldung: Der Schweizer Musik-Weltstar DJ Bobo denke ans Aufhören, weil seine Schwiegermutter, die während seinen Tourneen immer zu den Kindern schaute, gestorben ist. Das hat mich nachdenklich gestimmt. Ich habe mir bisher vorgestellt, dass erfolgreiche Menschen für ihre privaten Angelegenheiten einfach Hilfskräfte anheuern: Butler, Kindermädchen, Hauslehrer, Köchin usw. Schon in meinem Bekanntenkreis gibt es das, und auch ich selber kann bzw. muss zwischendurch eine Putzkraft anstellen. Zudem wohnen Grossmütter ja nicht immer gleich nebenan, und sie können bzw. wollen sich auch nicht alle wieder zusätzliche (Gratis-)Arbeit aufbürden lassen.

Im Falle Bobo wurde wahrscheinlich nicht gratis aufgebürdet. Gerade deshalb kann man daran vielleicht den Wert familieninterner Kinderbetreuung ablesen: Sogar wer sich ohne Zweifel beste Fachleute leisten könnte, kann zum Schluss kommen, dass eine konstante familiäre Bezugsperson nicht durch Profis zu ersetzen ist. Denn Grossmütter im Dienst bringen neben Pflichtgefühl auch Liebe und Aufopferungsbereitschaft rund um die Uhr mit. Das ist von lohnabhängigem Personal nicht zu haben. Klar ist jedoch in beiden Fällen, dass sowohl die private (unbezahlte) wie auch die lohnabhängige (schlecht bezahlte) familiäre Dienstleistung meistens von Frauen erbracht wird. Und zwar unabhängig davon, ob in der betreffenden Gesellschaft die Frauen mehrheitlich einer Lohnarbeit nachgehen oder nicht.

Jedenfalls war, wie die Ratlosigkeit des Bühnenpaares Baumann zeigt, Grossmutters Einsatz für die Karriere unabdingbar. Denn in keinem Arbeitsverhältnis – und sei es noch so selbstbestimmt und erfolgreich – erledigt sich die Familienarbeit daneben von selbst. Dies gilt selbstverständlich noch klarer für Normalsterbliche, die zwei Löhne zum Überleben brauchen, und erst recht für Alleinerziehende oder beschränkt Arbeitsfähige. Tatsache ist: Je mehr Männer und Frauen bezahlter Arbeit nachgehen, und je länger diese dauert, desto mehr wächst die unerledigte Haus- und Familienarbeit.

Fragt sich, wer diese Arbeitslast tragen und wer sie bezahlen soll, ist sie doch per se unrentabel. Zurück zum männlichen Ernährerlohn? Vorwärts zur umfassenden Fremdbetreuung? System Kindermädchen für alle? Ein paritätisches Familienmodell mit gleichermassen reduzierten Arbeitszeiten für Mütter und Väter, ergänzt mit pädagogisch wertvoller Fremdbetreuung nach Bedarf, würde sich eigentlich aufdrängen. Findige Köpfe denken bereits über eine Produktivitätssteuer nach, mit der die familiäre oder externe Betreuung abgegolten werden könnte. Der Produktive Wirtschaftssektor würde demnach den «unproduktiven» Care-Sektor – von dem er elementar abhängt – gerecht entschädigen. Von solchen Utopien trennt uns jedoch ein konservatives Männerbild in unschöner Eintracht mit neoliberalen parforce-Spartouren. Bemerkenswert ist, dass auch ein feministischer Ansatz mit dem absolut gesetzten Postulat weiblicher Vollbeschäftigung das Problem verschärft. Denn ohne neue Steuer geht das System Fremdbetreuung einfach zu Lasten schlechter bezahlter Frauen – deren eigene Familiensituation wiederum oft prekär ist.

DJ Bobo hat mit seiner ehrlichen Erschütterung offen gelegt, wie fragil das Erwerbs- und Familienmodell unserer Gesellschaft tatsächlich ist und wie schnell es abstürzen kann. Ich wünsche ihm und seiner Familie alles Gute!