Ihre Kolumnistin sitzt mit gebrochenem Handgelenk und Gips drumherum vor der Tastatur und erfindet neue kreative Versionen des Zehnfinger-Systems: Mit schwebendem Arm, mit Kissen drunter, mit schräggestelltem Computer… Aber ich will nicht klagen: Immerhin bin ich in bester Gesellschaft, nämlich unter Frauen. Deren Normalfall besteht ja darin, dass mehr als die Hälfte ihrer Lebensarbeit nicht bezahlt und daher auch nicht versichert ist – Selbsthilfe ist das Motto.
Schlimm wäre, wenn ich kleine Kinder hätte: 40 bis 70 Stunden Hausarbeit und Betreuung pro Woche (s. Bundesamt für Statistik/Haushaltschaden) erledigen sich nicht einfach mit links oder vom Bett aus und können auch nicht bis zur Ausheilung aufgeschoben werden. Weil bei der vielgerühmten Vereinbarkeit von Beruf und Familie allerseltenst Väter im Fokus stehen, ist es auch nicht möglich, kurzfristig den Mann von der Erwerbsfront abzuberufen. Da hab ich es im Moment direkt noch gut (Herr Ernst, zum Diktat bitte!). Oft entstehen aber groteske Situationen, wie im Falle meiner Freundin, die sich bei einem Arbeitsunfall an der Hand verletzte. Von ihrer Teilzeitarbeit wurde sie vorübergehend krank geschrieben, und die Ärztin verordnete Schonung der Hand. Die Spitex-Leistungen im medizinischen Bereich waren verschwindend klein, hauswirtschaftliche Leistungen nicht obligatorisch und – gemessen am tatsächlichen Aufwand – sowieso lächerlich gering (insgesamt keine 2 Stunden pro Woche). Meine Kollegin machte also doch das meiste selbst – und wurde prompt von ihrer Ärztin gerügt, da der Heilungsfortschritt dadurch verzögert wurde.
Wer nun glaubt, Frauen hätten einfach einen Putzfimmel und könnten es auch mal lockerer angehen, verkennt die volkswirtschaftlichen Dimensionen der unentgeltlichen Hausarbeit. Tatsächlich handelt es sich um einen riesigen Posten, der allerdings im kollektiven Bewusstsein unserer Gesellschaft im blinden Fleck angesiedelt ist. Zum Glück wurde in einem Pilotversuch des BFS mit dem Namen «Satellitenkonto» der Zeitaufwand für unbezahlte Arbeiten von Privatpersonen (z.B. für Hausarbeit) mittels eines Marktkostenansatzes monetär geschätzt, damit sie als «fiktiver» Geldfluss mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verglichen werden können. Und da zeigt sich, dass die unbezahlte – zum allergrössten Teil von Frauen geleistete – Arbeit knapp 44 Prozent dieser erweiterten Volkswirtschaft ausmacht. (Würde man statt dem Lohn die Arbeitsstunden in Vergleich setzen, wäre dieser Anteil noch einmal wesentlich höher, da solche Arbeit nach Marktkriterien ja stark unterdurchschnittlich bezahlt ist.)
Das sind krude Tatsachen mit weitreichenden Implikationen für die Lebensgestaltung aller Frauen, und es ist störend, dass sie weiterhin in politischen wie populären Diskussionen ausser Acht gelassen werden. Wer sollte etwa all diese Gratisarbeit leisten, wenn die Frauen mehrheitlich Vollzeit arbeiten wollten? Oder wer sollte sie gegen Bezahlung leisten, wenn Frauen sich aus den stigmatisierten dienenden Berufen zurückziehen würden, wie man es ihnen so dringlich rät? Und ist es nicht sowieso einer Schweiz unwürdig, dass dieser ganze, lebenswichtige Arbeitsbereich weder bezahlt noch versichert ist und auch zu keiner angemessenen Altersrente führt? (Herr Ernst, ein Aspirin bitte!)