«Küss die Hand …

… schöne Frau» hat ausgedient. Heute heisst es: «Zieh den Bauch ein, fette Sau». Jedenfalls da, wo Mann extrem drauskommt mit weiblicher Schönheit, etwa beim «Blick am Abend» und bei der Missen-Organisation – die beide reichlich ungalant mit der Lupe zu suchende Fettpölsterchen an der gegenwärtigen Miss Schweiz an den Pranger stellen. Obwohl sie genau mit diesem Bauch und diesen Schenkeln ja die Schönste war… Ziemlich irrational wäre das – entspräche es nicht der sexistischen Unterwerfungspraxis, dass den Frauen Grösse (und sei es nur in Form von Kleidergrösse) prinzipiell aberkannt wird.

«Fat is a Feminist Issue» nannte 1978 Susie Orbach ihr Anti-Diät-Buch. Denn auf die Spitze getriebene Schlankheit ist kein Schönheitsmerkmal an sich, sondern nur eines für Frauen. Ein Mann mit der extremen Magerkeit eines weiblichen Fotomodells wird als Schwächling, KZ-Häftling oder Kranker interpretiert (wie letzte Woche in der «Schweizer Illustrierten» über die Mister-Schweiz-Kandidaten). Dies absurderweise, obwohl die Frau biologisch bedingt mehr Körperfett hat als der Mann. Frauen in einem deutlich weiblich ausgeprägten Körper haben einen Makel, eine überflüssige Hülle, die es zu dezimieren gilt. Hartnäckig hält sich als Begründung der Mythos, schlank sei gesund – ein perverses Argument, wenn man bedenkt, dass schon mehrere Magermodels verhungert sind…

Der wahre Grund für das überaus rigide weibliche Schlankheitsgebot liegt in den Geschlechterrollen. Die Frau soll in einem unterentwickelten Mädchenkörper verharren, sie soll ein Kind bleiben. Körperausprägungen, die auf die erwachsenen Körperfunktionen der Frau verweisen (Brust = Stillen, Hüfte = Schwangerschaftsreserve, Gebären) gelten nur dann als schön, wenn sie sich den Geboten der Kleinheit, Kindlichkeit und Objekthaftigkeit unterordnen. In unserer Kultur gilt zudem nur für die Frauen ein Schönheitsideal, welches vollständig auf das Auge des männlichen Betrachters ausgerichtet ist. Schön sei, was dem Manne gefällt. Obwohl uns diese Definition der Schönheit vom anderen Geschlecht her als natürlich und normal erscheint, ist sie eine kulturelle Zuschreibung. Wäre sie naturgegeben, müsste für den Mann das Entsprechende gelten. Dem ist aber nicht so. Ein Mann, der primär den Frauen gefällt, wird als minderwertig eingestuft: Er ist ein Gigolo; kein echter Held, sondern bloss ein Weiberheld. Als echte männliche Schönheit gilt nämlich nur, was auf seine überlegenen Funktionen in der Welt verweist: Muskeln = Arbeitstier; athletischer Körperbau = Kämpfer; breite Schultern = Beschützer; Grösse = Sieger.

Während der Mann mit überdeutlich männlichen Körpermerkmalen also ganz mit sich eins ist, äussert sich im Schönheits- und Schlankheitsideal für Frauen deren vielfache Beschränkung: Sie sollen sich einem patriarchal geprägten Leistungsgebot unterordnen (schlank = produktiv und fit); sie sollen ihren Körper zurechtstutzen, damit er den Männern gefällt; sie sollen sich klein und unsichtbar machen und die Welt anderen überlassen. Sie müssen begreifen, dass weibliche Formen minderwertig sind. Es ist eine enge Welt in Kleidergrösse 36!