Weichgespülte Masche

Nach dem medialen Overkill zum Thema «Pickup-Artists» doppelte die WOZ nach. Ich freute mich auf eine fundierte Recherche und die linke Analyse dieses sexistischen Phänomens. Stattdessen las ich einen lauen «Erfahrungsbericht». Corinne Riedener schrieb unter anderem: «Mit Sex hatte das wenig zu tun, eher mit einer Art neckischer Feldstudie. Will heissen: Nebst anregenden Gesprächen und ein paar unerwarteten Einsichten hatten wir auch selber ordentlich Spass am Mitspielen.» Kaum erstaunlich, denn im Unterschied zum richtigen Leben hatten die Journalistin und ihre Begleiterin nicht ahnungslos, sondern wohlwissend mit so genannen Pickup-Artists zu tun. Hätte sie nicht auf der Seite der Aktiven, sondern bei den Objekten solcher «Kunst» recherchiert, wäre es evtl. weniger neckisch, dafür vielleicht erhellender geworden. So erfährt die Leserin weder, wie die Aufreisser wirklich sind (als Männer unter sich), und schon gar nicht, wie sich die angebaggerten Frauen fühlen. Dafür ist die Empathie mit dem Züricher Ableger («Lair») dieser Sportart gross; Corinne Riederer zitiert einen Exponenten: Julien Blanc halte man für einen Sonderfall und aggressiv, er überschreite ganz klar die Grenzen. Seine Philosophie stehe ihrer diametral gegenüber: «Was wir jedoch klar sagen können, ist, dass wir immer bestrebt sind, dass es den Frauen gut geht und wir sie sehr wertschätzen. Wir lieben Frauen und könnten es uns nie verzeihen, eine Frau zu verletzen.» Klingt das nur in meinen Ohren nach Bullshit?

Punkto Analyse ist der Bericht leider ebenfalls ziemlich schwach auf der Brust. Mir fehlt die Einsicht, dass hier ein überholtes und urtümliches Geschlechterbild von sich zierenden Burgfräuleins und ritterlichen Eroberern transportiert wird. Da reicht es kaum, herauszustreichen, dass auch Frauen zu den Aktiven gehören. Oder richtet sich das «Zürcher Lair» gar an Lesben? Jedenfalls kann man da «regelmässig gemeinsam praktische Erfahrung beim Ansprechen und Verführen von Frauen sammeln», aber Obacht: «Finger weg von den Frauen am Lair-Standort!» Mir genügt auch die Beteuerung nicht, dass nicht alle Aufreisser mit Gewalt vorgehen. Diese Erkenntnis ist nicht einmal neu. Bereits 2013 schrieb die (nicht gerade als Emanzenpostille verschriene) Zeitschrift «Petra», dass Pickup-Artists mit auswendig gelernten «Schlüsselsätzen» zu punkten versuchen, die echte Empathie vorgaukeln sollen – wie z.B.: «Du hasst Geheimnistuerei. Wenn jemand versucht, dir etwas vorzuenthalten, lässt es dir so lange keine Ruhe, bis du es herausgefunden hast» (also vielleicht, dass es gerade um Aufriss geht?). Während Corinne Riederer die Aufreisser von Mackertum und Schwanzsteuerung reinwäscht, spricht deren Sprache Bände:  «Cock-Forming» nennen sie es etwa, wenn mehr Aufreisser als Frauen vor Ort sind. Erhellend punkto Frauenbild auch folgende Benimm-Regeln des so gelobten Zürcher Lairs: «Wer das Set öffnet, dem gehört das Set!» Mit Set ist die Frau gemeint. «Kein Set-Klau, oder versuchen dem Set-Opener dieses auszuspannen. Und schon gar keine Intrigen (es reicht schon, wenn die Frauen das machen 😉 ) um Letzteres zu erreichen.» Nichtsexistisches Frauenbild? Fehlanzeige! Und weiter: «Ob der Set-Opener bei einem gemeinsamen Set einen ‹Dreier› erlaubt, liegt alleine in seinem Ermessen.» Die Frau wird natürlich nicht gefragt. Anfängern wird empfohlen, das Buch «Lob des Sexismus» zu lesen (der Titel ist nicht ironisch gemeint).

Solche Einsichten sind sicher weniger spektakulär, als der Hype vermuten liess: Nicht alle «Verführungskünstler» sind Vergewaltiger. Dennoch verfestigen sie unemanzipierte Rollenbilder. Ist wenigstens ihre einfühlsame Masche neu? Ich würde sagen: Nicht neu, nur mit Perwoll gewaschen.