Weihnachten

Eigentlich wollte ich mir etwas wünschen zu Weihnachten, und zwar einen neuen Stern am JugendpsychologInnen-Himmel. Dann dachte ich mir jedoch, «Geben ist seliger denn Nehmen», und so schenke ich nun meinerseits Herrn Allan Guggenbühl eine Nachhilfe-Lektion.

Kürzlich wurde im Blickamabend der «Jugendbarometer», eine repräsentative Umfrage zum Befinden hier ansässiger Jugendlicher, ausgeschlachtet. Neben vielen interessanten Befunden – etwa dem, dass Schweizer Jugendliche bei der Berufsbildung bevorzugt werden – stellt die Erhebung einen Fettnapf bereit: nämlich die Frage, welche Ausländer sympathisch oder unsympathisch sind. Das ist tendenziös, denn die Antwort, dass bestimmte Ausländer unsympathisch sind, wird damit schon impliziert. Item. Den Jugendlichen kann man es nicht vorwerfen, wenn sie das nicht durchschauen und brav die Kosovo-Albaner als unsympathischste MigrantInnen abstrafen (auch wenn einige ihrer besten Freunde natürlich KosovarInnen sind…).

Die Zeitung ergötzt sich über zwei Seiten an diesem gefundenen Fressen, und auch Herr Guggenbühl als fachmännischer Kommentator wittert Aas: Gerade der rege Kontakt mit Ausländern verdeutliche den Jugendlichen die Probleme im Alltag, sie erlebten die (Rassen?-)Durchmischung weit mehr als die Erwachsenen, lässt er ausrichten. Deshalb seien die Probleme mit den Ausländern eine Realität. Zur Abhilfe empfiehlt er, es müssten «Schweizer Werte vermittelt werden. Und zwar so, dass Ausländer sie auch annehmen.»

Mit Verlaub: Das alles ist ein Haufen Stuss. Solche hemdsärmligen populistischen Interpretationen sind eines Professors unwürdig! Nicht weil Tamilen sympathisch und Albaner unsympathisch sind, sind die einen hier Musterschüler und die anderen Versager. Sondern aus Sri Lanka flüchtet eine gebildete Oberschicht (die sich oft genug hier als Handlanger verdingen muss!), während aus Kosovo eine kriegsgebeutelte, bildungsferne Landbevölkerung flieht. Wer seriöse Analysen zur Kenntnis nimmt, weiss, dass es sich beim «Ausländerproblem» vielmehr um ein Schichtenproblem handelt. Denn AusländerInnen, die  ebenso reich, urban und gebildet sind wie wir, haben fast genau die gleichen Werte wie wir. Und ungebildete, arme, vom Leben benachteiligte SchweizerInnen stürzen ebenso leicht ab wie MigrantInnen.

Ein zweites, tatsächlich kulturell verankertes Problem lässt sich feststellen – nämlich dass in gewissen Kulturkreisen das Primat der männlichen Vorherrschaft gilt. Deren Knaben sind es sich von Haus aus gewöhnt, im Mittelpunkt zu stehen. Sie geniessen Vorrechte vor den Mädchen, etwa mehr Bewegungsfreiheit, werden zum Teil von Müttern und Schwestern von vorne bis hinten bedient, und physische Gewaltausübung wird ihnen nachsichtig durchgelassen («Es sind halt Buben!»). Hier besteht wirklich das Problem, dass diese Jungen sich teilweise vom vorwiegend weiblichen Personal unserer Schulen (eine schweizerische Eigenart!) nichts sagen lassen oder dieses mit einer Mitleidsmasche über den Tisch ziehen – oft so lange, bis eine Jugendanwaltschaft eine drastische Grenze ziehen muss… Wir reden hier nicht von Ländern, Rassen oder Völkern. Machismo gibt’s überall, und hier wäre Nulltoleranz ein dringend zu vermittelnder – wenn auch leider kein typisch schweizerischer – Wert. Frohe Weihnachten und e Guets Nöis, Herr Guggenbühl!