Gut für alle?

Heute flatterte mir ein Brief ins Haus: die Initiative für ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle (BGE). Ich habe sofort unterschrieben. Denn ich finde es toll, dass die InitiantInnen eine alte Gesellschaftsutopie aufgreifen, die völlig neben dem weltweiten kapitalistischen Imperativ von Fleiss, Produktivität und Gewinnstreben liegt, und sie in eine gegenwartsbezogene Form bringen. Meine Unterschrift bedeutet jedoch nicht, dass ich mit der inhaltlichen Ausgestaltung voll und ganz einverstanden bin – dafür hege ich zu viele Zweifel an der Geschlechter­gerechtigkeit des Anliegens.

In der WoZ vom 19. April kritisiert die feministische Ökonomin Mascha Madörin, dass das BGE die Frage der gesellschaftlich notwendigen Arbeit nicht löst, also offen lässt «wer die lebensnotwendige Care-Arbeit übernehmen und wer sie finanzieren soll». Diese Frage – eines der zentralen Anliegen von Madörin – wird gerade erst laut und öffentlich gestellt.  Es droht die Gefahr, dass dieses Thema vom Tisch gewischt wird, wenn einmal mehr ein Lebensmodell «für alle» etabliert werden soll, das am Ende doch hauptsächlich einem gesunden männlichen Schweizer auf den Leib geschneidert ist (welcher auch ohne BGE schon die besten Chancen hat). Dass mit dem BGE sowohl männliche wie weibliche Lebenszusammenhänge eine Aufwertung erhalten, scheint mehr als fraglich, nicht zuletzt weil darin die nach wie vor bestehende Differenz in den Lebensperspektiven der Geschlechter nicht thematisiert wird.

Madörin spricht vom heutigen Dualismus zwischen der Akkumulations­ökonomie (dem Kapitalismus) und der Ökonomie der Produktion des Lebensstandards. Auf der einen Seite also das weitgehend auf den männlichen Lebensentwurf zugeschnittene System von ausserhäuslicher Lohnarbeit, die auf der Profitmaximierung beruht. Auf der anderen Seite: die häusliche oder ausserhäusliche Arbeit an Menschen, die zum grössten Teil (bezahlt oder unbezahlt) von Frauen geleistet wird – und die sich der Effizienzsteigerung und Profitmaximierung elementar entzieht. Diese Arbeiten stellen recht eigentlich die Lebensgrundlage für jede menschenwürdige Gesellschaft dar. Im neoliberalen System sind sie aber nicht nur immanent schlecht bezahlt: Es gibt nun mal keine monetäre Mehrwertabschöpfung bei der Kranken-, Säuglings- und Altenpflege. Sondern sie sind auch weithin ungeliebt. Die Philosophin und Historikerin Tove Soiland formulierte es an einem Seminar so: «Es sind Arbeiten, die mit Schwäche und Zerfall zu tun haben, und davon wendet man sich lieber ab.» Aber: Bildete man einen neuen Wirtschaftssektor nur aus der Care-Arbeit, so wäre er, gemessen am Volumen und einschliesslich der unbezahlten Arbeit, der grösste Sektor! (Madörin 2010)

Im BGE ist kein Mechanismus erkennbar, der diese traditionelle Frauenarbeit aufwertet. Die Verbindung von knapp existenzsicherndem Einkommen für alle mit kapitalistisch erzeugtem Zubrot für jene, die können (aufs Wollen wird’s weniger ankommen), könnte die Schere zwischen Arm und Reich, Frau und Mann auch weiter aufreissen. Dann aber fehlt das Geld oder die Legitimation, um sozial abzufedern…

Mindestens einen Achtungserfolg, ähnlich wie bei der Armeeabschaffungsinitiative, hat das BGE aber unbedingt verdient. Wahrscheinlich wird kein Ja zustande kommen. Danach sieht die politische Landschaft nicht aus. Auch ZweiflerInnen können also getrost auf die Pauke hauen und mit einer Ja-Stimme darauf hinwirken, dass die Diskussion um das gute Leben wach gehalten wird.