AHV-Klau

Unser SP-Sozialminister Alain Berset! Will die AHV und die 2. Säule reformieren … Wie kann er politische Blockaden überwinden und die Chancen für eine Reform erhöhen? Wir erinnern uns: Bisherige Vorstösse zur Abwendung eines Schuldendebakels bei der Altersvorsorge wurden vom Volk bachab geschickt – da sie alle eine Senkung der Renten für die breite Bevölkerung bedeutet hätten. Eine schrittweise Erhöhung des Frauen-Rentenalters auf 64 wurde jedoch 1997 gutgeheissen. «Warum nicht den gleichen Trick nochmals versuchen?», wird sich Berset gesagt haben, denn er will nun das Rentenalter 65 für Frauen einführen.

Es steht zu befürchten, dass das Scheinargument der Gleichbehandlung erneut verfängt – und zwar von links bis rechts. Von einer Gleichbehandlung kann jedoch keine Rede sein, solange Frauen im Erwerbsleben und bei der Hausarbeit gegenüber Männern  derart benachteiligt sind, wie es heute noch der Fall ist. Neben einem rund zwanzig Prozent tieferen Lohn gilt nach wie vor: «Hausarbeit bleibt Frauensache». So lautet das Fazit des Strassenmagazins «Surprise», das die Zahlen des Bundesamts für Statistik zur Hausarbeit untersucht hat. Sie machen deutlich, dass Frauen gegenüber Männern ein bis zu doppelt so hohes Pensum an Gratisarbeit im Haushalt leisten, konkret bis zu 55 Stunden pro Woche (etwa während der Vorschulphase der Kinder), und dies im Durchschnitt. Auf das Verhältnis von Lohn zu Arbeitszeit umgerechnet bedeutet das: Ein vollbeschäftigter Vater erhält für 69 Stunden Wochenarbeitszeit (zusammengesetzt aus 40 Std. Erwerbs- und 29 Std. Hausarbeit) 100% Lohn. Die halbtags erwerbstätige Mutter erhält für 75 wöchentliche Arbeitsstunden (20 aus Erwerb und 55 aus dem Haushalt) nur 40% Lohn.

Die Behauptung, Frauen seien mittlerweile gleichberechtigt und müssten auch gleich viel leisten wie Männer, entpuppt sich daher als oberflächliche, ja absurde Schönrednerei einer schreienden Ungerechtigkeit. Gerade auch in der Linken besteht ein riesiger blinder Fleck in Bezug auf die Massen von Frauen, die die unbezahlbare Arbeit am Menschen unterbezahlt oder unbezahlt leisten. Staunend nehme ich zur Kenntnis, dass sich selbst linke Frauen hiervon offenbar ausgenommen fühlen – oder verzichten sie aus Solidarität mit der «darbenden» Wirtschaft auf eine gerechte Entschädigung für ihre Dienste?

Mit der Behauptung, dass der AHV wegen der geburtenstarken Jahrgänge ab 2030 das Geld ausgehe, wird der Widerstand gegen Leistungskürzungen geknebelt. Erst kürzlich hat jedoch der Bund mit der Unternehmenssteuerreform II Unsummen von Steuergeldern verschenkt, und vor einem Monat hat das Bundesgericht entschieden, dass Dividenden nur dann AHV-pflichtig sind, wenn sie missbräuchlich anstelle von Lohn ausbezahlt werden. Allerlei legale Tricks erlauben es zudem, Einkommen im Offshore-Ausland zu generieren. Mit solchen politisch legitimierten Mechanismen wird die Finanzierung der AHV zu Gunsten von Kapitalgewinnlern und zu Lasten von LohnempfängerInnen (und Gratisarbeiterinnen) umverteilt. Dennoch sollen wir es als Naturgesetz ansehen, dass die Kassen leer sind und dass ausgerechnet alte Frauen das fehlende Lohnsubstrat für die AHV erarbeiten müssen. Ich hätte da eine bessere Idee: Fordern wir endlich den geschuldeten Lohn für die Hausarbeit der Frauen ein!