Wenn hinter Gurken Gurken gurken

Es ist ja durchaus verständlich, dass sich im Hochsommer die Saure-Gurken-Zeit ankündigt. Wer wollte den Zeitungen auch übel nehmen, dass die ganze Welt in den Sommerferien weilt. Gerade die  Wochenblätter kommen da in arge Not. An den Einfällen, mit denen sie dennoch ihre Seiten füllen, scheidet sich dann die Spreu vom Weizen. So dachte ich, als ich letzte Woche Zeitung las. Die WoZ widmete ihren ganzen zweiten Bund der leichten Muse Olympia – vergnüglich und hintergründig, mit hochstehender Recherche und Reflexion. Das Tagi-Magi hatte Sommerpause. (Manchmal ist Schweigen vielleicht tatsächlich Gold.) Die NZZ am Sonntag hingegen schwatzte über weite Strecken Blech, besonders im Gesellschaftsteil, wo ohne Belastung durch Fakten schwadroniert werden kann.

Bundauftakt: Martin Helg sabbert eine Seite über den BH voll, natürlich streng historisch. O-Ton: «…erotische Attraktion … mit Spitzen dran und allem Firlefanz». Das erinnert mich an meinen Ex-Freund Hape. Der sagte einmal, einer Frau an einen rüschenbewehrten BH zu fassen, fühle sich an, wie wenn man mit einer Tüte Pommes-Chips kuschelt. Helg aber faselt ungebremst: «Aus dem Schlachtfeld der Schönheit ist der Büstenhalter nicht mehr wegzudenken.» Gegenbeweis: Ich sitze gerade ohne BH am Küchentisch, mein Mann geht trotzdem nicht fremd. Weiter im Takt: «Um die weibliche Opferrolle zu befestigen, operierte der Feminismus mit dem Begriff des Sexobjekts.» Hm. Interessant. Wo ich immer dachte, die Emanzipation wolle die Frauen aus der Opferrolle herausführen. Aber Helg ist sicher schon länger Feminist als ich und weiss das wohl besser. «Ein unseliger Machtdiskurs vergiftete die Sexualität, und ein praktisches Kleidungsstück verlor seine Unschuld.» Ja, doch: Die Sexualität war früher unschuldig und frei, alle Menschen durch die Kirche aufgeklärt, die Verhütung ein Kinderspiel, Geschlechtskrankheiten inexistent, Vergewaltigung gab es weder im Krieg noch in der Ehe. Und all diese Seligkeit durch die Feministinnen mit der Verbannung von BHs zerstört! Und doch bleiben quälende Fragen: «Denn wer sexualisierte jetzt eigentlich wen? Der Busen den BH oder der BH den Busen?» Zwar müsste es eher heissen «Was sexualisiert was?» – aber wir verzeihen Herrn Helg. Das viele Busengucken hat ihm einen sturmen Kopf gemacht.

Nächste Seite. Der Erfolg eines schlecht geschriebenen Sado-Maso-Romans bei Frauen «stürzt Feministinnen in Erklärungsnotstand». cz hat offenbar die WoZ nicht gelesen. Dort erklärte die Feministin Susi Stühlinger ohne Not, dafür mit Foucualt, wie die freiwillige Unterwerfung unter die Sexualisierung funktioniert – dass nämlich in der liberalen Gesellschaft die Mechanismen staatlicher Regierung durch Techniken der Selbstregierung abgelöst würden, indem ein Individuum sich herrschende Normen aneigne und sie ohne Anleitung oder Zwang befolge, als scheinbar autonomes Individuum. Und die Norm drängt heute eindeutig zur Pornografisierung.

Nächste Seite. Claudia Schumacher weiss: Auch Männer können nicht alles haben im Leben. Frauen, die klagten, Kind und Karriere seien nicht vereinbar, wollten eben bloss die Verantwortung nicht abgeben. Der Rest des Artikels ist weniger klar – eine Ode an die eigene omnipotente Mutter, ein wenig Alice-Schwarzer-Bashing, aber «natürlich müssen Feministinnen nicht die Emanzipation der Männer übernehmen.» Echt? Wow! Jetzt kann ich erleichtert in die Ferien gehen.