Aufreger!

Wie kommen eigentlich die Nachrichten in den Zeitungen zustande? «Ist doch logo», werden Sie sagen, «ReporterInnen rasen in der Welt herum, um live dabei zu sein, wo immer etwas passiert. Oder wenn mal nichts passiert, lesen sie beflissen Fachzeitschriften und fassen die hochkomplexen Sachverhalte in allgemein verständliche Worte. Dabei sind sie objektiv und unparteiisch und trennen ihre Meinung immer deutlich von der Berichterstattung.» Und was der beruflichen Fertigkeiten mehr sind.

Es geht aber auch einfacher. Ein Journalist hat vielleicht ein Spezialgebiet, also etwa die Bildung. Nun ist da aber offenbar gerade Tote Hose. So muss er halt etwas nachhelfen. Zum Glück gibts ja massenweise Bildungsheftli – vom Kanton, von Verbänden und Gewerkschaften und auch am Kiosk. Da ist dann zum Beispiel eines Montags im Schulblatt des Kantons Zürich Nr. 4/2009 ein Interview abgedruckt mit einem Experten für Leistungsmessung namens Urs Moser. Dieser hatte mit einem Test die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten der BewerberInnen fürs Gymnasium erhoben, um herauszufinden, ob fremdsprachige Kinder aufgrund ihres Sprachdefizits diskriminiert würden. Herr Moser konnte auf der ganzen Linie Entwarnung geben: Wer intelligent und lernwillig ist, schafft es in der Regel auch bis zur Matur. Diskriminierend wirken wenn schon Elternhäuser, die keine bildungsfreundliche Atmosphäre bieten. Die Vornoten und die Prüfungsresultate sind im übrigen gute Prognostika für den gymnasialen Schulerfolg der SchülerInnen, ein zusätzlicher Intelligenztest erübrigt sich. Es gibt nur eine verschwindend kleine Gruppe (um die 5 Prozent und alles Knaben), deren Leistung in der Schule klar unter dem mittels Test erhobenen Intelligenzniveau liegt. Sie bestehen wider Erwarten die Aufnahmeprüfung nicht oder scheiden bald danach wieder aus. «Tjaaa», würden Sie und ich da sagen, «Intelligenz ist wohl eine notwendige, aber kaum eine hinreichende Voraussetzung fürs Gymnasium», oder etwas weniger verbildet: «Können ist nicht alles, man muss auch wollen!» Und genau das denkt auch Herr Professor Moser: «Es kann ja sein, dass ein an sich begabtes Kind sich nicht genügend für die Schule interessiert und sich deshalb zuwenig auf die Prüfung vorbereitet hat.»

So muss es dann am Mittwoch drauf aber nicht in der Zeitung stehen, nachdem ein Journalist es durch seine Mühle gedreht hat. (Oder war es der Textchef? Der Produzent?) «Intelligent sein reicht bei Knaben nicht», prangts vom Inserat im Gratisblatt, das uns zum Kauf des Tagi anregen soll. Und weiter: «Ungerecht. Buben schneiden in einem Intelligenztest besser ab als Mädchen. Trotzdem sind sie an den Zürcher Gymnasien in der Minderheit.» Nanu? Hat der ein anderes Interview gelesen als ich?

«Schlaue Jungs schaffen es nicht ans Gymi», moniert man auch in der Online-Zeitung. Langsam erhärtet sich der Eindruck, der Journalist müsse hier ein Kindheitstrauma aufarbeiten. Der weitere Text erinnert stark an den Flug eines losgelassenen Luftballons: Viel Geknatter und warme Luft ein bisschen zickzack und im Kreis herum geführt, mit nachlassender Spannung und sich verflüchtigendem Inhalt auf Niveau Null sinkend. «Bei den Besten und doch nicht bestanden» schreit der erste Zwischentitel, was nun auch Professor Moser zunächst «absolut unerklärlich» findet. Da bleit ihm nur die wilde Spekulation: «Vermutlich ist ihre Lernbereitschaft kleiner als die der Mädchen.» «Verfahren ziemlich gerecht» glättet dann aber der letzte Zwischentitel die Wogen, denn offenbar wird doch kein Geschlecht diskriminiert, sondern die Knaben fallen raus, steigen aus, machen eine Lehre oder die Berufsmatura. Etwas gar viel Lärm um nichts. Gespannt warte ich aber auf die nächsten Skandale: «Diskriminierung! Fettleibige von Misswahl ausgeschlossen.» «Unfair! Gehörlose dürfen nicht an der Oper singen.» Was werde ich mich über solch massloses Unrecht aufregen!