heissheissheiss

Am heissesten Tag des Jahres sitze ich am Computer, und meine Kleider riechen komisch. Nicht, was Sie denken! Ich war in den Sommerferien bei meiner Mutter zu Besuch gewesen: Eine Woche lang schlecht schlafen auf dem Sofabett. Eine Woche italienisches Fernsehen. Eine Woche lang Kleider, die – kaum abgestreift, wie von Zauberhand verschwinden und bald darauf stark duftend (oder eben: komisch riechend) an der Wäscheleine hängen. Eine Woche lang politische Anekdoten einer ungelernten, italienischen Immigrantin und eines grundsoliden Schweizer Lokiführers.

Seine Lieblingsanekdote geht so: Den SBB wird Sparen verordnet. Wo lohnt sich Sparen besonders? Richtig: Bei den Papierhandtüchern. Es wird erkannt, welche ungeheure Prasserei betrieben wird, indem in den Garderoben der SBB-Angestellten gleich zwei Papierhandtuchhalter pro Lavabo zur Verfügung stehen. Der eine Handtuchhalter wird also bei jedem Brünneli abmontiert. Ausserdem wird am Wochenende beim Auffüllpersonal gespart. Nun wird es jedes Wochenende zum Normalfall, dass nach kurzer Zeit die Papierhandtücher ausgehen. Der Lokiführer hat also einen Sonntag lang in seinem Führerstand geschwitzt, der Gleisarbeiter in seinen Handschuhen gesteckt, der Stellwerkbeamte mit seinen Knöpfen und Plänen hantiert – und am Feierabend fehlt ein Wisch, um die Hände abzutrocknen. Das Personal murrt – der Arbeitgeber reagiert. Man ist ja nicht knauserig in der Schweiz. Ab sofort wird so viel Papier in die Halter gestopft, wie reingeht. Die Folge: Wer ein Papier rauszupfen will, hält gleich ein ganzes Bündel in der Hand, denn die ausgeklügelt ineinander gefalzten Handtücher können sich unter dem Pressdruck nicht mehr voneinander lösen. Der Handtuchspender ist nun noch schneller leer als zuvor, und übers Wochenende liegt eine Schweinerei von durchnässten versehentlich herausgezogenen Papieren beim Brünneli. Die Chefetage kniet sich rein und überlegt sich, zur Abhilfe einen zweiten Handtuchspender pro Brünneli zu montieren …

Tagsüber sass ich aber nicht bei Muttern rum, sondern ich lernte Gas-schmelz-Schweissen. Die zweitheisseste Zeit des Sommers verbrachte ich also in feuerfester Kleidung und dunkler Brille in einer Schweisskabine und hantierte mit der 3000° heissen Flamme. Das war sehr lehrreich. Und es war bei weitem nicht der mühsamste Abschnitt meiner Sommerferien.

Diesen erlebte ich, als ich mich in einer neuen Schulwerksatt einarbeiten wollte (wo ich dann eben Schweissen unterrichten werde). Statt der vereinbarten bisherigen Ordnung übernahm ich von meinem Vorgänger eine unglaubliche Schweineordnung. In der drittheissesten Zeit des Sommers musste ich eine Woche lang putzen, aufräumen, reparieren, nachbestellen, anschreiben. Und das Schlimmste: Das war kein schlechter Lehrer! Ein guter Typ mit tollen Ideen und intaktem Draht zu den Schülern. Und doch – nach mir die Sintflut.

Was das alles miteinander zu tun hat? Italien lässt Grüssen. Der Staat spart, das Volk denkt: Leckt mich am Arsch. Das war in meiner Kindheit Tischthema Nr. 1 meiner Mutter: der Menefreghismo in Italien. Was daraus geworden ist – und was uns hier auch blüht, zeigt ein Blick in italienische Medien…