Als Arbeitnehmerin unter permanentem Weiterbildungszwang und somit nur bedingt erwerbsfähige Zeitgenossin stecke ich trotz anständigem Beruf ständig in einem Konsumdilemma. Die Gegenpole: Ökologie und Ökonomie; need to have und nice to have. In meiner ungebundenen Jugendzeit gab ich mein Geld jahrelang beidhändig und ohne mit der Wimper zu zucken für Bioprodukte aus. Und ich hatte für alles Zeit: fürs Einkaufen in verschiedenen Lädeli, fürs Kochen gesunder Menus, fürs Stöbern in Brockenhäusern. Denn ein weiterer identitätsstiftender Bestandteil meines Daseins bestand darin, irgendwelche netten, lustigen, besonderen, schönen, ungewöhnlichen oder sonstwie Aufsehen erregenden Dinge zu finden, die den BesucherInnen in meinem geschmackvollen Heim «Ah» und «Oh» entlocken würden.
Die Familienphase ging mit dem Übertritt in die gewöhnlicheren Sphären des KonsumentInnendaseins einher. Einkauf wurde prosaisch, und ich griff auch mal zu Billiglinien. Das schlechte Gewissen war gross, und auch der Frust darüber, ausgerechnet mit einem Kind – das doch nur mit Bio wirklich gesund aufwachsen konnte!! – derart minderwertig essen zu müssen. Nun, wir haben unbio überlebt. Auch die exquisite Wohnungsdeko liegt seit der letzten Züglete noch in den Kisten und wird nur sporadisch vermisst. Der hohe Qualitätsanspruch blieb aber jederzeit abrufbar auf Standby. Gerade noch kürzlich riss ich einen Artikel aus einem lokalen Blättlein aus, um mich an dieser Stelle darüber auszulassen. Eine Handvoll Seeanwohner gab in einer kleinen Umfrage über biologische Lebensmittel lauter empörende Antworten: Das sei doch Hans was Heiri, mit Bio werde sowieso nur beschissen, Essen sei nebensächlich, oder allein der Preis zähle. Als ich mich probehalber in meinem Bekanntenkreis über diese Totalabsenz von ökologischem Bewusstsein echauffieren wollte, war eine lakonische Antwort: «Vielleicht haben sie alle vier Kinder, und irgendwo endet einfach ihr Budget». Was will eine dazu sagen?
Während ich mich standhaft weigere, die neuen Schrottpreisladenketten zu besuchen, gehe ich doch auch Kompromisse ein: Ich jage orange Punkte (Rabatt wegen Verfalldatum) und greife zu gelben Streifen (Aktion). Damit wird aber definitiv mehr gemogelt als mit Bio – und das finde ich asozial. Denn Vergünstigungen sollen ja Leute mit eh schon kleinem Budget ansprechen, und reduzierte Ware trägt bereits den Makel der raschen Verderblichkeit. Darum hier meine Kampftipps gegen den orangen Nepp: 1. Preisetikett immer genau lesen. Gleich neben dem Aktionsschinken liegt meist ein teures Verwechselprodukt, oder das Gestell ist mit etwas Schinken-Ähnlichem gefüllt, oder Aktions- und Nichtaktionsschinken sind bunt gemischt, oder die Aktion ist erst ab morgen oder nur bis gestern. 2. Sachen mit orangen Punkten alle miteinander zuletzt aufs Band legen und Punkt nach oben drehen. 3. Preis auf dem Kassenbildschirm überprüfen. 4. Nicht gewährte Reduktionen konsequent einfordern oder Ware ebenso konsequent nicht kaufen.
5. Mit dem hochgepeitschten Adrenalinspiegel in Rekordzeit heimradeln (Stadtvariante) oder eine halbe Stunde Holz hacken (Landvariante). 6. Zur Belohnung den Aktionsschinken ohne Brot mit den Fingern essen.