Meno- wie bitte?

Obwohl zurzeit erst Herbst ist, kann heute schon das Unwort des Jahres gekürt werden. Es ist nämlich höchst unwahrscheinlich, dass einer (und ich meine: einer) in der verbleibenden Zeit etwas absondern wird, was noch dümmer, niveauloser, sexistischer, misogyner und von historischem Bewusstsein unbeleckter sein wird als: die «Menopausenfraktion».

Zuletzt gehört wurde der Begriff am Rande des SP-Parteitages aus dem Munde eines Delegierten. Er wollte damit jene SP-Frauen über 45 bezeichnen, die gegen die Wahl von Cédric Wermuth ins Vizepräsidium der SP votiert hatten. Ihre Argumentation, der Juso-Chef manövriere sich damit in einen Interessenkonflikt, konnte der zitierte Delegierte glatt als Vorwand durchschauen, denn der wahre Grund für die Ablehnung Wermuths sei, dass reifere SP-Frauen generell etwas gegen junge aufstrebende Männer in der Partei hätten. Nun, nun – das wäre ja glatter Sexismus!

Eine nüchterne Analyse drängt sich auf. «Fraktion»: Begriff für eine Gruppe parlamentarischer Abgeordneter; absolut angebracht. «Menopause»: Lebenszeit, in der die Frau keine Menstruation mehr hat und folglich nicht mehr gebären kann. Das Wort wird nicht a priori mit Sachpolitik in Verbindung gebracht. Es gehört in den körperlichen, privaten Bereich, zum Dunstkreis der sexuellen Reproduktion und des physischen Zerfalls. Etwa ähnlich passend wäre es, männliche Politiker als Schlappschwanz-, Bierbauch-, Glatzkopf- oder Hodenkrebsfraktion zu bezeichnen. Sorry, lieber Delegierter (dessen Name zu deinem Vorteil nirgends genannt wurde): Das ist leider primitivste, unterste Schublade. Und sorry, lieber Cédric Wermuth: Ist das dein politisches Niveau oder nur jenes deiner Anhänger? Haben die linken Männer jetzt so den Gagg in den Hosen wegen der Frauenquote, dass sie in die uralte Mottenkiste der Misogynie greifen müssen? Der Sexismus-Vorwurf geht hiermit zurück an euch, und ich könnte es den Ü45erinnen nicht mal verübeln, wenn sie tatsächlich etwas gegen euch hätten.

Wieviele Generationen Schweizer Politikerinnen sind denn überhaupt schon in die Menopause gekippt und verwehren den Jungspünden die verdiente Politkarriere? Angesichts der Tatsachen, dass die Schweizerinnen erst seit 1971 politische Rechte haben, dass die wenigsten Parteien Frauenquoten pflegen, dass Männer immer noch in Studium, Militär und Wirtschaft füreinander lobbyieren, dürfte es wohl kein derart bedrohliches Massenphänomen sein, dass ein solcher Angriff unter die Gürtellinie gerechtfertigt wäre. Einmal mehr werden gestandene Frauen an ihrer Gebärfähigkeit gemessen, auf ihre Funktion als Mutter reduziert und genau dafür verleumdet. Nachdem eine dreissig Jahre lang wegen der Mens diskreditiert wurde («Die hat wohl ihre Tage»), wird sies danach wegen der Menopause.

Ein Blick auf den Ursprung des Wortes klärt den Rest: Es stammt nämlich von Silvio Berlusconi, der es im heurigen Wahlkampf gegen Helferinnen aus seiner eigenen Partei verwendet hat – sie sollten besser zu Hause bleiben und Kuchen backen. Da sag ich doch zu den erfahrenen SP-Frauen: Lasst eure meinetwegen fetten Ärsche ruhig auf den Parlamentssesseln und beherzigt statt den Schmähungen alter und junger Machos lieber das Motto einer exzentrischen alten Draufgängerin (Lotti Huber): «Diese Zitrone hat noch viel Saft!»