Müllerinnen

Alles nur, weil ich Müller heisse! Hiesse ich Hempli-Hösli, dann wäre mir das Ganze erspart geblieben. Dabei heissen wir ja nicht mal gleich. Mutatis mutandis bin ich nämlich Ina Kruzifix Müller, und die andere Kruzifix Müller-Fidibus. Das interessiert aber niemanden – ausser mich, aber ich will ja auch nicht bezahlen (davon später mehr). Frau Müller-Fidibus hatte damals schon Mühe mit unserer quasi Gleichnamigkeit. Dass da einfach noch eine Kruzifix Müller daherkam und gleich in die Wohnung über ihr einzog, erschien ihr wie eine Verschwörung. Plötzlich erhielt sie seltsame Briefe. Erst wenn sie die Adresse genau las, merkte sie, dass sie meine Post geöffnet hatte, die in ihrem Briefkasten gelandet war. Das kam oft vor. Wöchentlich tauschten wir Müllerinnen verirrte Briefe aus. Alles Reklamieren bei der Post half nichts. Ich wurde weiterhin regelmässig mit Profitversprechen von Kaffeefahrten­veran­staltern beglückt, die eigentlich meine Nachbarin neppen wollten. Sowas warf ich jeweils gleich weg – zum Schutz von Frau Müller-Fidibus, die schon älter und ein Quäntchen verwirrt war und vielleicht darauf reingefallen wäre. Davon wusste sie aber nichts. Sie fand, ich solle doch endlich heiraten, um zu einem anderen Namen zu kommen. Als ich wieder auszog, war sie sehr erleichtert. Aber das Schicksal hat gleichwohl zugeschlagen …

Letzten Freitag streckte mir der Postbote meines Vertrauens einen Zahlungsbefehl unter die Nase: Einschliesslich diverser happiger Nebenkosten und überrissener Gebühren sollte ich (Ina Kruzifix Müller, wohnhaft an meiner Adresse) für eine noch nie gesehene Rechnung von einer Firma namens OneCom via Eintreiber namens Inkassolution rund 800 Franken lockermachen. Das verursachte bei mir Schweissausbrüche, schlaflose Nächte und ausgedehnte Recherchen. Was sollte ich überhaupt gekauft haben? OneCom hat kein Telefon, das Betreibungsamt hatte zu. Laut Internet macht OneCom mit betrügerischen Telefonverkäufen ihr Geschäft, und Inkassolution kauft lusche Schulden auf, um sie unzimperlich einzutreiben. Aber wie kam ich zu der Ehre?  Kommt doch am Telefon mit Unbekannten nie, nie, nie das Wörtlein «Ja» über meine Lippen. Es ist fragwürdig genug, dass diese Geschäftsmethode (inklusive heimlicher Gesprächsaufzeichnung) offenbar mit dem Schweizer Gesetz vereinbar ist. Aber kann man ganz ohne Vertragsabschluss, Rechnung oder Mahnung einfach betreiben? Eine Betreibung bleibt ja auch im Register vermerkt, wenn man sie erfolgreich bestreitet … Traurig, aber wahr: Man kann tatsächlich! Falls Sie also Feinde haben – ziehen Sie doch mal so einen Zahlungsbefehl in Betracht, um denen ein wenig einzuheizen. Denn das Betreibungsamt überprüft gerade mal gar nichts: Weder die Seriosität der Inkassofirma noch die Lauterkeit des Rechnungsstellers, und auch nicht, ob die Schuldnerin tatsächlich die gleiche Person ist wie die Betriebene. Am Ende wurde nämlich klar, dass eigentlich (Sie ahnten es schon) Frau Müller-Fidibus das Opfer war. Sie hatte wohl einfach nicht auf die Forderungen reagiert, und da wich Inkassolution halt auf die nächstbeste Müllerin aus. Und nun hängts an mir. Ich werde denen schon die Hölle heiss machen. Nur Frau Müller-Fidibus tut mir leid, denn die ist ja leider als nächste dran …