Braune Sau

Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung. Als nächstes bietet die Ecopop-Initiative den Boulevard-Medien Gelegenheit, Quoten zu bolzen. Sie danken es mit flächendeckender Propaganda. Immer nur Abstimmungskampf ist auf Dauer aber fad. Kein Problem jedoch für «Blick am Abend», «20 minuten» und Co., die sich einiges einfallen lassen, um auch diese braune Sau mit grossem Trara durchs Dorf zu treiben.

Immer wirksam ist ein empathischer Aufhänger – zum Glück hat sich das Volk in der jüngsten Abstimmung für Fragen der Wohnungsnot empfänglich gezeigt. Schon steht die erste These: «Ausländer nehmen uns die Wohnung weg». Der Rest ist Handwerk. Passende Zahlen für den Anschein des Faktischen lassen sich aus Statistiken leicht zusammenschustern. Rhetorische Fragen schmeicheln der Leserschaft, da sie die Antwort schon kennt. Folgerichtig daher die Schlagzeile auf Blick.ch (7.10.14): «Treibt Zuwanderung Mieten in die Höhe? … Die offiziellen Zahlen des Bundes beweisen, dass Zürcher Familien in den Aargau flüchten müssen. Die hohen Mieten sind schuld.» Zwar bleibt der nachfolgende Text den behaupteten Beweis für die angebliche Verdrängung durch Ausländer schuldig. Bloss – wer liest schon den Text? Der pawlowsche Sabberreflex der Kommentierer ist so oder so stimuliert. «Das ist ja schon himmeltraurig, dass die Leute wegen der ungebremsten Zuwanderung ihren Wohnort verlassen müssen, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen können, und immer mehr Schweizer können sich die Schweiz nicht mehr leisten. Deshalb Notbremse ziehen, ECOPOP JAAAA!» (552 likes). Aber auch das Stimmlein der Vernunft darf sich erheben: «Bis jetzt war das Argument für die Begrenzung der Einwanderung immer das angebliche Lohndumping der Ausländer. Und jetzt sind die schuld an den hohen Mieten, weil sie so viel verdienen?» (8 likes).

Noch besser verkauft sich Sex and Crime. Fast zwingend daher These Nummer zwei: «Ausländer vergewaltigen Schweizer Frauen». In diesem Fall erübrigen sich Zahlen und sogar Behauptungen. Stimmungsmache reicht. Blickamabend.ch: «Ein Asylbewerber attackierte R.K. mitten in Aarau und schlug sie blutig … Mit dem Foto, das von ihren schlimmen Verletzungen zeugt, will die junge Aargauerin Behörden und Politiker aufrütteln.» Es versteht sich zwischen den Zeilen, dass sie nicht die alltägliche Gewalt von Männern an Frauen oder die Behandlung von Frauen als Sexobjekte anprangern will. Wie zum Beweis dafür platziert Blickamabend.ch R.K.s blutige Lippe neben einem Kamasutra-Gemälde (Geschlechtsakt), einem Beitrag über bisexuelle Schauspielerinnen (Filmchen: zwei Frauen beim Busenwackeln) und der Schlagzeile: «Schüler hatte Dreier mit Lehrerinnen». Aber Boulevard kann noch mehr. Ein Zeuge wird zitiert: «Er erschrak durch das Licht, schaute wie ein Tier, das beim Essen gestört wird – und flüchtete.» Niemand hat behauptet, Ausländer hätten niedere Instinkte, seien Tiere oder gar Freiwild … Die SVP des Kantons Aargau sieht sich gleichwohl veranlasst, erneut geschlossene Unterkünfte für «renitente Asylbewerber» zu fordern, denn «uns sind unsere Frauen und Kinder noch etwas wert!».

Gut für den Boulevard. Gut für die Fremdenfeinde. Gut für die Schweiz?