Schule konkret?

Wieder ist ein Schuljahr vorbei. Schülerinnen und Schüler sind mir über den Kopf gewachsen (meist zum Glück nur körperlich), kindliche Gesichter wurden kantig, geschminkt oder bärtig, Stimmen wurden brüchig und wieder glatt, Zahnspangen gaben Pepsodentlächeln frei, aus SchulbankdrückerInnen wurden zukünftige Velomechaniker, Schreiner, Arztgehilfinnen, Drogistinnen, Elektromonteurinnen, KV-Angestellte usw.

Bei mir hatten sie zwei Jahre Werken. In der zweiten Sek ging es um handwerkliche Grundlagen. In der dritten wurde eine Arbeit selbständig geplant und durchgeführt. Was dabei nicht alles herausgekommen ist! Ein klappbares Sackmesser, nach einer Fotografie selber nachgebaut; eine Ladebrücke für den Traktor (life size!); ein Zimmerbrunnen aus einer Kupferschale, eine Pfadischaufel, Möbel, geschnitzte Schalen usw. Zwar ist die Organisation für alle Beteiligten anspruchsvoll – aber das selbst gewählten Projekt bringt den SchülerInnen echte Einsichten und die Genugtuung, sich eigenständig etwas erarbeitet zu haben.

Für den zukünftigen fächerübergreifenden Projektunterricht in der dritten Sek war ich natürlich Feuer und Flamme. Er ist eines der Elemente, mit dem im letzten Jahr der Volksschule der Einstieg ins Berufsleben vorbereitet werden soll. Dieses Jahr war Versuchsphase – und einige Projekte haben mich wirklich aus den Socken gehauen. Jemand hat ein Möbel mit lauter altehrwürdigen Zinkenverbindungen geschreinert. Einer hat einen speziellen Schmorgrill nachgebaut, jemand auf einen Bauwagen, der als Jugendtreff dient, eine Dachterrasse montiert. Eine Schülerin hat ihren zukünftigen Coiffeursalon als Modell gebaut und vieles mehr. Nicht selten kamen sie in der Freizeit ins Werken, um von unserem Knowhow und dem Maschinenpark zu profitieren. Wo sieht man soviel Eigeninitiative und Enthusiasmus, und das im letzten Schuljahr? Eltern, LehrerInnen, zukünftige Lehrmeister und die jüngeren SchülerInnen haben gestaunt und sich gefreut, wie praktisch es im letzten Schuljahr zu- und hergeht.

Dann kam der Dämpfer. Im Vergleich zum abgelaufenen Jahr haben auf die nächste 3. Sek hin nur noch ein Fünftel so viele SchülerInnen ein handwerkliches Fach gewählt. Stattdessen wählten sie Französisch-, Englisch-, Mathe-Lernateliers. Das sind alles wichtige Inhalte, gewiss. Und die Wahl wurde auch gut überlegt: Es gab einen Stellwerktest, es wurden Defizite festgestellt, man muss jetzt noch Lücken schliessen vor Beginn der Berufsschule… Niemanden erstaunts, dass im gestalterisch-praktischen Bereich keine Defizite erscheinen – denn hier wird kein Test gemacht. Man könnte natürlich auch die Bildungsdirektion beim Wort nehmen und ressourcen- statt defizitorientiert handeln, also das offensichtliche handwerkliche Talent zugunsten einer positiven Lebenshaltung fördern. Fehlanzeige! Viele Jugendliche wollten Werken, Zeichnen, Mode usw. wählen – aber der Stundenplan war schon übervoll mit den zu stopfenden Löchern. Zustande kamen so kuriose Kurse wie Fotolabor – weil das nur eine Jahresstunde belegt. Einmal mehr werden durch die Hintertür die handwerklichen Fächer amputiert. Da ist es fraglich, ob nächstes Jahr auch so tolle praktische Projekte entstehen werden. Und das alles im Zeichen der Vorbereitung auf den Einstieg ins praktische Berufsleben…