Während ich hier sitze und meine Zeilen drechsle, befinden sich meine BerufskollegInnen im Streik. Am Mittwoch, 24. November 2010, von 11 bis 12 Uhr, stellten die Lehrpersonen im Kanton Zürich die Schule ein, um eine Personalversammlung abzuhalten. Deren Ziel ist, der stetig wachsenden Überbelastung Grenzen zu setzen. Man erhebe sich kurz und vollführe ein Luftsprüngli oder recke zumindest die Faust in die Höhe. Denn Lehrpersonal im Streik braucht Ihre Solidarität.
Wer nämlich den Pfad des lammfrommen Gehorsams verlässt, muss damit rechnen, auf den Kopf geschissen zu bekommen – aber richtig! So wars vor zehn Tagen, als einige Schulhäuser der Stadt Zürich den Aufstand probten. Sie gaben am Montag Morgen den Kindern bis 10 Uhr frei, um vor dem Rathaus anlässlich einer Bildungsdebatte im Kantonsrat zu demonstrieren. Dies begründeten sie gegenüber den Eltern schriftlich mit dem sich stetig verschlechternden Zustand der Schule, den sie Sinkflug nennen. Prompt kam ein geharnischter Brief der sieben städtischen Schulpräsidenten zurückgeflogen: Diese bestreiten, dass sich die Schulqualität verschlechtert habe, sie halten diese Aktion für rufschädigend und illoyal, und sie nehmen sie zum Beweis, dass die LehrerInnen lediglich vorgeben würden, das Wohl des Kindes ins Zentrum zu stellen, während es ihnen in Wirklichkeit nur um sich selber gehe. Traurig ist natürlich, dass mehrere der unterzeichneten Schulpräsidenten aus einer Partei stammen, die vorgibt, die Schulqualität als Grundfeste der Gesellschaft liege ihr am Herzen… Etwa 200 Lehrerinnen liessen sich nicht ins Bockshorn jagen (etliche von ihnen hätten übrigens frei gehabt) und gingen trotzdem demonstrieren.
Was hat man schon zu verlieren? Die Arbeit wohl kaum, denn aus unerklärlichen Gründen herrscht ja gerade absoluter Lehrermangel. Das Resultat der Kantonsratsdebatte hatte mit der Demo eigentlich wenig zu tun. Es ist nichts als logisch, dass Lehrpersonen finanziell endlich den anderen Kantonsangestellten gleichgestellt werden. Die neue Kündigungsregelung hat es aber in sich. Zwar wird es weiteren Stress für die Schulen bedeuten, wenn LehrerInnen unter dem Jahr abspringen. Schulpflegen an Problemstandorten müssen sich nun aber gut überlegen, wie sie potentielle Stellenanwärterinnen informieren. Wenn die LehrerInnen nicht mehr verpflichtet sind, ein ganzes Jahr abzusitzen, werden sie schnell wieder gehen, sobald offensichtlich wird, wo überall der Wurm drin ist. Solche Abgänge würden sich auch nicht mehr als «natürliche Fluktuation» schönreden lassen.
Apropos Regine Aeppli. Das war lustig. Die LehrerInnen standen an der letzten Demo artig auf dem Trottoir vor dem Rathaus und reckten überdimensionierte Papierflieger in die Luft – Fliegenlassen war nicht, man ist ja auf Ordnung bedacht. Die Demonstrantinnen bildeten also eine disziplinierte Gasse, damit die Kantonsräte nicht auf die Strasse ausweichen mussten und trotzdem beflugblättert werden konnten. Alle RätInnen spielten das Spielchen grinsend oder muffig mit, einige wechselten ein paar Worte – nur die Bildungsdirektorin vermied den direkten Kontakt mit ihrem Fussvolk, indem sie einen weiten Bogen machte und den Weg aussenherum suchte. Zufall?