Wenn Dumm Trump(f) ist

Dummheit oder Sich-dumm-Stellen scheint in der heutigen Politik eine siegreiche Strategie zu sein. Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump schart mit unverblümter Vulgarität und trampelhafter Ignoranz die republikanischen Massen hinter sich. Zahlreiche Schweizer SVP-Exponenten verschleiern ihre akademischen Weihen erfolgreich und punkten beim «Volk» mit bauernschlauer Hemdsärmligkeit. In Internetforen und Kommentarspalten heischen Pseudo-Personen mit kauderwelschartigem Dummdeutsch Anerkennung. Wie konnte es dazu kommen, dass Dumm das neue Gescheit geworden ist?

Man kann das als Symptom einer Gesellschaft lesen, die ihre Koordinaten verloren hat. Die alte Ordnung mit ihren fixen Normen hatte ein klares Oben und Unten, ein starres gesellschaftliches Gefüge mit wenig individuellen Freiheiten. Wir haben die Altväter vom Sockel geholt, bzw. sie haben sich verdünnisiert. Aber die Freiheit, die wir bekommen haben, ist nur ein neuer Zwang: eine Marktfreiheit. Und das Wissen, mit dem wir uns emanzipieren wollten, hat uns in Geiselhaft genommen, es ist ein Marktwissen. Nun müssen wir uns stetig neu verorten, uns lebenslanger Bildung unterwerfen und dafür sogar private Ressourcen Nutzbar machen: Spass an der Arbeit haben, Kreativität, Originalität und emotionale Intelligenz anzapfen. Dabei helfen uns Fachleute und Experten, Berater, Coaches und Consultants, Therapeuten und Trainer. Wir wählen unsere Lebensberatung, Paarberatung, Stilberatung, Einrichtungsberatung, Versicherungsberatung. Denn wir sollen schöner wohnen, besser gärtnern, richtig Ordnung halten, ergonomisch laufen, gesund leben, entspannt gebären, partnerschaftlich erziehen, konstruktiv streiten. Mit Tipps und Tricks, Tricks und Kniffen. Gewusst wie!

All dies soll uns auf dem Markt der Möglichkeiten zu unserem wahren Selbst führen. Weil es aber dieses wahre Selbst – diese Ware «Selbst» – gar nicht gibt, ist garantiert, dass wir auf der Suche bleiben, uns immer neu erfinden, immer neuen Anreizen folgen. Denn der Markt, auf dem wir unser Glück suchen, ist eine enigmatische Sache, die sich nicht entschlüsseln lässt. Niemand schreibt uns direkt vor, was wir zu tun haben. Und weil wir uns mit unseren Selbsttechniken selber steuern, können wir auch niemandem verantwortlich machen, wenn es uns zu viel wird. Da scheint mutwillige Dummheit auf den ersten Blick einen Ausweg aus der Selbstoptimierungsmühle zu bieten.

Gleichwohl scheint Maggie Thatchers Menetekel «There ist no alternative» wahr geworden. Denn jede Verweigerung, die man zu praktizieren versucht, wird kurzerhand selber wieder zur Marktnische. Sie wollen aussteigen, anders sein, das Leben geniessen? Tun Sie das, aber richtig! Der Markt wird Sie von allen Seiten mit Formen und Gerätschaften des Geniessens bombardieren. Oder mögen Sie es auf die krumme Tour, sind Sie ein Rebell, ein Outlaw? Ist Ihr Motto: «Ehrlich währt am längsten; wer schlau ist, nimmt die Abkürzung»?  Auch das ist schon längst nicht mehr subversiv, sondern ein stilbildendes Element verschiedener Subkulturen und von da aus wieder vermarktbarer Mainstream geworden.

Die Autoritätsfigur dieser neuen Ordnung – eben Trump und Konsorten – ist eine Vaterfigur, die uns nicht mehr zu Arbeit und Gehorsam verpflichtet. Slavoj Zizek nennt ihn einen «analen Vater», weil er im Gegensatz zum «abwesenden Vater» der symbolischen Ordnung überpräsent ist und in jedem Winkel unseres Lebens obsessiv nach Geniessen sondiert. Er konfrontiert uns penetrant mit seinen Ausschweifungen und erinnert uns an unsere Pflicht, «einfach loszuziehen und richtig Spass zu haben» (Todd McGowan). Da Dummheit natürlich spassiger zu haben ist als Reflexion und wir auch noch unseren moralischen Kompass über Bord geworfen haben, wird es eine Weile dauern, bevor wir merken, dass die Pflicht zum Spass eher noch einschneidender ist als der Ernst des Lebens.