Warum ist die hetzerische «Durchsetzungsinitiative» so populär, dass wir Linken wirklich alles geben müssen, um sie zu verhindern? Und wieso darf ein Mensch mit intaktem ethischem Urteil nicht akzeptieren, dass solchen Volkes Stimme angeblich stets die Wahrheit spricht? (Einmal davon abgesehen, wer alles nicht zum Stimmvolk zählt.)
Die Antwort finden wir in der Mitte. Heute sieht die Prognose gegen die Entrechtungsinitiative zwar besser aus als auch schon, und FDP- wie CVP-Parteiexponenten stellen sich klar gegen diese Ausgeburt der Rechtsnationalen. Das war aber nicht immer so: Bei der Ausschaffungsinitiative war etwa die FDP nicht im Grundsatz, sondern nur im Ausmass gegen eine Verschärfung der Ausländergesetze. Nach deren Annahme schob sie der Linken die Schuld in die Schuhe, weil diese auch den FDP-Gegenvorschlag abgelehnt hatte – absurd: Wer halb Ja sagte, wäre demnach klarer dagegen gewesen, als wer zweimal Nein sagte! Auch bei der so genannten «Masseneinwanderungsinitiative» kam das Nein aus der Mitte undeutlich und lauwarm. So erstaunt es nicht, dass gemäss der zweiten gfs-Vorabstimmungsanalyse immer noch 30 Prozent der FDP-Basis «eher» oder «sicher» der Entrechtungsinitiative zustimmen. (Dies nebst erstaunlichen 16 (!) Prozent der SP-WählerInnen und 17 Prozent der CVP-AnhängerInnen.) Fast scheint es so, als würde der Wirtschaftsliberalismus die Geister, die er rief, nun nicht mehr los.
Der Grund für das zähe Aneinanderkleben von Liberalen und Rechtsnationalen liegt darin, dass ihre Eliten im Grunde denselben Acker bestellen: Sie säen Angst vor sozialem Abstieg und ergo das Bedürfnis nach Abschottung gegen unten. Im wirtschaftsgläubigen Utilitarismus ist sich jede selbst die Nächste; ist jeder ein Versager, der sich nicht gewinnbringend verkauft; sind alle an ihrem Elend selber schuld, egal wie oft ihnen «der Markt» den Teppich unter den Füssen wegzieht. Neoliberale Glaubenssätze und die populistische Entsolidarisierung von den Schwächeren (d.h. «Ausländern», Invaliden, Fürsorgeabhängigen…) sind tatsächlich nur zwei Seiten derselben Medaille. Den Marktradikalen kommt es zupass, wenn in der Bevölkerung nicht für existenzsichernde Löhne gekämpft, sondern nur gegen Mitbewerber geellbögelt wird. Und weil diesen Kampf nicht alle gewinnen können, muss schon mal klargestellt werden, wer verlieren wird. Hier kommen Nationalismus und Fremdenhass zu Hilfe: Die «Illegalen», die «Ausländer», die «Kriminellen» sollen es sein. Selber dick im Business – und auch mit ordentlich Dreck am Stecken – wollen die SchweiztümlerInnen keinesfalls die Wirtschaftsordnung anzweifeln, wie etwa die Haltung zur Initiative gegen Lohndumping zeigt. Sie wird von allen bürgerlichen Parteien vehement bekämpft, womit diese sich implizit mit kriminellen Arbeitsbedingungen und betrügerischen Geschäftskapriolen arrangieren. Gleiches gilt für die Ablehnung des Waffenexport-Moratoriums für die arabische Halbinsel, die gerade erst von den Bürgerlichen durchgedrückt wurde – nach Ansicht der SP ein klarer Verstoss gegen die Kriegsmaterialverordnung und eine stossende Bigotterie. Denn so generieren Schweizer Waffen weitere Flüchtlinge, denen dann wieder unlautere Fluchtmotive unterstellt werden.
So geht die fremdenfeindliche Saat auf, wächst und pflanzt sich fort und fort: Die nationalistische Elite gaukelt ihrer Gefolgschaft Volksnähe vor und verführt sie zu Hass und Missgunst; die Wirtschaftselite wäscht die eine Hand in Unschuld und zieht mit der anderen die Daumenschrauben an. Beide zusammen jodeln das Lied von den Wirtschaftsflüchtlingen und leugnen Schweizer Wirtschaftskriminalität in aller Welt. Das «Schweizervolk» fordert einen Bonus, wenn es dazu im Takt nickt: Es will seinen «Volks-Willen» haben – ein paar neue Stiefel, um nach unten zu treten.