Alles Kaffee

Als Koffeinjunkie lasse ich kaum eine Gelegenheit aus, mir eine Dosis Muntermacher hinter die Binde zu kippen. Vier Tassen Kaffee am Tag sind das Minimum, es können auch sieben werden. Bei der hohen Kunst des Kaffeegenusses mit Schäumchen, Veredelungen aus dem Darm von Haustieren oder gar künstlichen Aromen muss ich aber passen. Not my kind of fun. Bei mir zuhause steht auch keine fancy Kaffeemaschine herum, und wenn ich ausser Haus ausnahmsweise mal mit Kapseln hantieren muss, ist das Gerät nachher meistens defekt. Mir reicht eine schlichte, möglichst grosse Mokka. Die fülle ich mit frisch gemahlenen Bio-und-fair-Bohnen. Wenns jedoch schnell gehen muss, trinke ich lieber Pulverkaffe als keinen Kaffee und zu fortgerückter Stunde gerne auch koffeinfreien. Nun hat sicher die Geschmackselite meines hochverehrten Publikums einmal reihum aufgeschrien – sie sei aber beruhigt: Bei  verbranntem Kaffee hört auch bei mir der Spass auf. Deshalb muss ich in der Stadelhofer-Passage immer den Atem anhalten und den Schritt beschleunigen; es ist mir ein Rätsel wie der dort ansässige Kaffeeverbrüher seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Damit auch die Gesundheitselite meines hochverehrten Publikums in Zukunft noch ruhig schlafen kann: Ich habe schon eine ordentliche Sammlung von Belegen beisammen, wie gesund Kaffee ist. Erst vorgestern stand in der Gratispresse, er mache gescheit (das können Sie mir sicher bestätigen), auch schon hiess es, ab vier Tassen pro Tag sinke das Risiko für Schlaganfall, und dass kalter Kaffee schön macht, wissen wir schon lange (s. Bild).

Mein exzessiver Konsum konnte auch dem Grossverteiler meiner Wahl nicht verborgen bleiben. So schickte er mir ein Müsterchen eines neuen Cappuccino-Getränks ins Haus. Leider von Nestlé – Boykott! Aber immerhin ungezuckert. Diese Vorliebe kombinierten die Marketingstrategen wohl aus meinem absolut marginalen Einkauf von Zucker, der nur in der Confi- und Backsaison je einen Peak aufweist. Wobei der mir ans Herz gelegte Fertig-Cappuccino nicht eigentlich ungezuckert, sondern lediglich ungezuckert* ist (mit Fussnote: *ungesüsster Geschmack). Was das heisst? Im Prospekt steht: «Neue Rezeptur! Ein noch cremiger und köstlicher Schaum!». (Da «lockerer» und «leckerer» schon einen anderen Werbeslogan prägen, konnte man begreiflicherweise nicht «cremigerer» und «köstlicherer» schreiben.) Jedenfalls: 56.2 Prozent sind Kohlenhydrate, gemäss Zutatenliste von Glukosesirup und Milchzucker herrührend. Mir ist schleierhaft, wer so  ein Gebräu noch – wie der Claim suggeriert – «nach belieben süssen» wollte. Ich jedenfalls nicht. Fünfmal täglich Zucker im Kaffee wären sowieso dental ruinös für eine Zahnarztvermeiderin wie mich. Bevor jetzt aber die Marketingabteilung von Assugrin mir Müsterchen ihres neues Stevia-Produkts zusendet: Hab ich schon! Nachdem man Stevia lange Zeit wegen behördlich supponierter potentieller Giftigkeit fast klandestin kaufen musste, ist es nun plötzlich massentauglich, gesund und macht schlank – offenbar besonders in Kombination mit E 968 = Erythrit* (mit Fussnote: *übermässiger Konsum kann abführend wirken). Also auch nichts für mich – ich unterrichte zwischen den Kaffeepausen und kann da nicht jederzeit überstürzt austreten.