It’s the media, stupid!

Herr Ernst steht schwitzend am Herd. Dampf beschlägt seine Brille. «Scheiss-Brille», mault er und fischt blind im brodelnden Essigsud herum. «Leg sie doch ab», so mein gut gemeinter Rat vom Küchentisch aus, wo ich den Berg Zeitungen abtrage, der sich in den letzten Wochen aufgetürmt hat. «Geht nicht, dann seh ich erst recht nichts mehr!» Auch wieder wahr…

Ich würde ja gerne helfen, schliesslich kocht er streng genommen für mich – oder besser gesagt, für Sie – liebe Frau K. und lieber Herr B., denn es entsteht hier gerade Ihr Wettbewerbsgewinn. Danke für die gelungene Collage mit dem Orangefuchsigen Raukopf! Auch Herr S. erhält als erster Einsender einen Preis. Mein Angetrauter und ich haben übrigens die Prüfung bestanden und müssen nun bis ans Lebensende Pilze einmachen (er) bzw. bestimmen (ich). Vorher muss ich aber noch all die angestaute Lektüre hier abarbeiten.

Zwar braucht eigentlich niemand Gratiszeitungen. Aber der Sog ist einfach unwiderstehlich. Was da nicht alles für Blödsinn drinsteht! Ich will Herrn Ernst mit ein paar Müsterchen aufmuntern und überbrülle das Getöse des Dampfabzugs: «Rate mal, was die grad machen: Hier steht, den Umständen entsprechend gehe es den Passagieren gut.» – «Hm, Eine Kreuzfa–? Scheisse!» (Die Kelle ist in den Sud geplumpst). «Nein, es sind Bootsflüchtlinge, gerade knapp dem Tod entronnen. Und die hier: Sie sei auch als Hollywood-Star vom Altern nicht gefeilt.» Nun muss Herr Ernst trotz Kochstress lachen. Nur blöd, dass er dabei die Pfanne anschubst. Der übergeschwappte Pilzsud verbrennt zu beissendem Essigqualm. Ich zieh mich dann mal zurück. Muss schliesslich heute noch fertig werden hiermit.

Nun stehen die ernsteren Themen an. Emil Zopfi rät der «WoZ» zum Verzicht aufs feministische Binnen-I, das eine störende Lesebremse sei. Gescheiter sollten Frauen inhaltlich sichtbarer gemacht werden. Zu beklagen ist ferner die Absetzung von Andrea Bleicher als zukünftiger Blick-Chefin. Dass eine kompetente Frau einem Mann weichen muss, ist aber wenig erstaunlich für ein Blatt, das unter Sichtbarmachung von Frauen das Bluttmodell auf Seite 1 versteht. Da wird auch der künftige Scheff René Lüchinger kaum etwas dran ändern. Als mein Vorgesetzter in einer TA-Media-Publikation tat er sich jedenfalls nicht mit Gleichstellung hervor («Der kompetentere Journalist erhält den Job»). Da hülfe tatsächlich auch kein vorgeschobenes Binnen-I. Unter anderem einer nichtsexistischen Sprachregelung sei es aber zu verdanken, dass bei Radio SRF ein beinahe ausgeglichenes Geschlechterverhältnis herrsche (42% Frauen; Ta-Media: 25% Frauen), wird Andrea Fischer im «Edito/Klartext» zitiert. Michèle Roten schlägt in ihrem neuen Buch laut «Blick am Abend» gar die Mütterquote vor: «Solange nur kinderlose Frauen, die sich voll und ganz auf die Karriere konzentrieren können – also Frauen, die die gleiche Ausgangslage haben wie Männer, die eine Ehefrau haben -, den Job machen können, bleibt alles beim Alten.» Das liest sich, abwesenden Binnen-Is sei Dank, extrem süffig, klingt fast vernünftig, und ist auch auf den zweiten Blick wirklich nur knapp daneben. «Ah, Gottverdammtnochmal!», schreit Herr Ernst in der Küche und lässt ein mitleidheischendes Geschepper folgen. Wahrscheinlich ist er über den Kater gestolpert. «Ich komm ja schon, ich komm ja schon!» – Herrje, muss man denn alles selber machen!