Nur für Opfer

Mit einer bahnbrechenden Neuigkeit konnte letzthin eine Boulevardzeitung Wind machen. Frau Pomper diagnostizierte: «Männer nervt das Feministinnen-Geklöne. Zwei Drittel der deutschen Männer finden, es reiche mit der Emanzipation der Frauen. Auch Schweizer Männer haben die Nase voll von der traditionellen Gleichstellungspolitik.» Schonungslos stellt sie Tags darauf die Hänschenfrage: «Sind Frauenrechtlerinnen schuld am Gleichberechtigungsüberdruss?»

(Ab hier, geschätzte Leser, schauen Sie wohl besser weg, sonst verdriessen Sie sich wieder!) Ein solch heftiges Leiden am anderen Geschlecht bedarf natürlich einer genauen Diagnose. Zunächst will ich die Begriffe klären: Was ist mit «traditioneller» Gleichstellungspolitik gemeint? Mir kommt grad kein Jahrhunderte alter Gleichstellungs-Brauch in den Sinn. Vielleicht die Schwanz-ab-Sprüche so genannter Kampfemanzen? Das Stimmrecht von anno 1971? Die Abschaffung der straffreien Vergewaltigung in der Ehe? Ich komm nicht drauf. Aber zum Glück gibts Männer vom Fach: Herr Hunziker von der Organisation Verantwortungsvoll erziehender Väter und Mütter VeV weiss offenbar aus Erfahrung: «Viele Männer, aber auch junge Frauen haben zunehmend die Nase voll vom Geklöne der Feministinnen.» Vor allem das Thema Lohngleichheit hänge vielen zum Hals heraus: «Wir wissen es langsam».

Zu einer seriösen Recherche gehören natürlich Zahlen. Ich kann nur erahnen, wieviele Männer, aber auch junge Frauen, Herrn Hunziker schon ihre volle Nase ins Pochettli geschneuzt haben. Sicher sind es Tausende, jedenfalls ein repräsentativer Querschnitt durch die Schweiz, die geschlossen gegen den traditionellen Feminismus revoltiert. Nicht ganz so wild, wie die eingangs erwähnte Zweidrittelmehrheit erahnen lässt, geht es in Deutschland zu. Dort finden laut einer repräsentativen Studie immerhin noch 51% aller Frauen (und 40% der Gesamtbevölkerung), dass noch mehr für die Gleichberechtigung getan werden müsste. Das muss Frau Pomper in ihrem Text aber nicht so laut verschreien, sonst zieht sie sich womöglich den Ärger ihrer Kollegen zu.

Rosemarie Zapfls Vermutung, es könne bei Feminismus-Gegnern Verunsicherung oder die Furcht vor männlichem Statusverlust mitspielen, wischt Herr Hunziker vom Tisch: «Wir sind keine Opfer.» Weil: Opfer sind nämlich Frauen, wenigstens im traditionellen Feminismus. So sieht das auch Carmen Walker Späh von den FDP-Frauen: «Es braucht einen modernen Feminismus. Wir begegnen den Männern auf Augenhöhe, weg von der Opferrolle hin zu einem konstruktiven Geschlechterdialog.» (Gratistipp an alle Benachteiligten, Diskriminierten und Unterdrückten: Nicht kämpfen! Mund halten oder selber schuld an Ihrer Opferrolle!)

Da die moderne Frau schon übermässig gleichberechtigt ist, kann sie gemäss Walker Späh auch den gleichen Militär- oder Zivildienst leisten wie ein Mann und auch bis 65 arbeiten. (Ich stelle mir gerade die lustigen Jahre von Herrn Schweizer vor, wie er zuhause rumsitzt und wartet, bis seine jüngere Gattin endlich pensioniert ist.) Warum Frauen nicht den gleichen Lohn erhalten sollten, bleibt vorerst im Dunkeln. Aber keine Bange: Der moderne Feminismus wird die Antwort liefern!