Mahnfinger/Heulsusen

Die geplante Änderung des Bau- und Planungsgesetzes bringt die Hirne der Gegner zum Kochen. «Das Wohnen wird in der Schweiz schleichend verstaatlicht», mahnt der Chefredaktor Felix E. Müller in der «NZZ am Sonntag» (14.9.). Zwar kann die Festlegung eines Mindestanteils an gemein­nützi­gem Wohnraum nach der Gesetzesrevision nur dann erfolgen, wenn die Grund­eigen­tümerschaft auch von einer erhöhten Ausnützung profitiert – aber das ist Müller wohl grad entfallen. Ebenso die Tatsache, dass die Mietzinsgestaltung auch die Erzielung einer angemessenen Rendite ermöglichen würde (Infos aus der Abstimmungszeitung). Hingegen weiss er «dass die Einkommen schneller angestiegen sind als die Wohnkosten», weshalb «man sich im Durchschnitt mehr Wohnfläche leisten» könne. Das trifft sicher auf das obere – mithin wohl auch Müllers – Lohnsegment zu. Von dort aus räsoniert er, es könnten halt nicht alle im Stadtzentrum viel billigen Wohnraum mit Seesicht haben (also etwa so wie er in seiner Höngger Villa über der Limmat). Stattdessen preist er das Gesetz von Angebot und Nachfrage und das heilige Instrument der freien Preisbildung. Dass dem Fussvolk  mit dem preisgünstigen Wohnangebot irgendwo in der Pampa aufgrund fehlender Verdienstmöglichkeiten meist nicht gedient ist, liegt wahrscheinlich unter seinem Horizont.

Mehr Empathie mit den Mietenden hat scheinbar die dominierende Plakat-Kampagne. Ihr Slogan: «Mietverteuerung? Nicht mit mir!» heimelt mich an. Prompt glaube ich, ich hätte die Kampagne einer Mietrechtsorganisation vor mir. Denn aus dieser Ecke kommt ja gewöhnlich die Forderung nach erschwinglichem Wohnraum. Der Absender ist aber wenig aufschlussreich, und erst eine kleine Recherche fördert zutage, dass der Urheber in Wirklichkeit der Hauseigentümerverband (HEV) ist. Die Hauseigentümer in ihren Alter Egos als junge Mutter, Bürogummi oder Grosi wollen die Mieten tief halten? Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Wohnt nicht der HEV eher selten zur Miete? Wo er doch so viele Häuser besitzt! Und profitiert er nicht als erster davon, wenn die Mieten steigen? Sein Slogan müsste folglich eher heissen: «Mietverteuerung? Klaro, her mit den Kröten!»

Beim HEV zuhause (www.hev-zuerich.ch) ist es aber ein Heulen und Zähneklappern: Man grämt sich um die arme Mieterschaft schier zu Tode, vor allem wegen dräuender energetischer Sanierungen: «Die horrenden Kosten tragen die Hauseigentümer, welche sie auf die Mieter abwälzen werden.» (Zwar eine Contradictio in Terminis, aber quasi ein Naturgesetz!) «Leidtragende sind einmal mehr der Mittelstand und Familien. Mit Annahme der PBG-Revision müssen sie mit massiv höheren Wohnkosten rechnen.» Es bricht mir fast das Herz. Ich klammere mich an letzte Strohhalme: Kann der Hauseigentümer nicht genau solche Ausgaben im Rahmen des nationalen «Gebäudeprogramms» von den Steuern abziehen? (www.dasgebaeudeprogramm.ch). Würden allfällige verbleibende Mehrkosten nicht durch Einsparungen beim Energieverbrauch wettgemacht? Müssten die Hauseigentümer tatsächlich sofort tot umfallen, wenn sie aus dem Mittelstand und den Familien eine etwas kleinere Rendite herausholen würden?

Das nun wohl doch nicht. Es gibt also noch Hoffnung: Ja zur Änderung des PBG!