Sex im Deutsch?

Eigentlich würde ich Ihnen hier gerne eine Textpassage präsentieren. Aber ich finde sie zu drastisch. Deshalb paraphrasiere ich. In dem Roman wird detailgetreu beschrieben, wie ein Mädchen, das im Übrigen gedemütigt und missbraucht wurde, einmal in den Keller steigt, um sich wollüstig einem Cunnilingus durch einen Hund hinzugeben. Wollen Sie sich etwa empören? Da sind Sie wohl auf dem falschen Dampfer. Denn das ist gerichtlich anerkannt eine geeignete Schul-Literatur für den Deutschunterricht mit 15-Jährigen. Ebenso Deutsch-Prüfungen mit Themen wie Masturbation, Schwangerschaft von 14-Jährigen, inzestuösen Handlungen und Sex mit Gewalt bis zum Tode.

Denn ein Lehrer der Kanti Rämibühl, welcher deswegen von einer Mutter angezeigt worden war, ist vom Vorwurf, Kindern Pornografie vorgesetzt zu haben, freigesprochen worden. Triumph im Blätter- und Web-Wald mit dem Tenor: «Es lebe die Freiheit der Kunst!» Der Rektor hielt die Vorwürfe laut Medien eh für aus der Luft gegriffen und ist erleichtert. Er möchte den Lehrer, der seit Sommer 2009 von der Bildungsdirektion freigestellt worden war, weiterbeschäftigen. Die Anklage wurde vom Gericht gerügt, den Fall überhaupt verfolgt zu haben – die Mutter hätte die Sache mit dem Lehrer und dem Rektor regeln sollen.

Weit weniger Wind machte die Meldung, dass der Lehrer einen Tag später in der «Nebenklage» der Kinderpornografie für schuldig befunden wurde. Auf seinem Computer wurden einzelne einschlägige Bilder gefunden. Das lässt aufhorchen. So ganz daneben war die Intuition der Mutter also nicht. Hätte sie nicht reagiert, wäre der Computerinhalt nie ans Licht gekommen. Man kann sich leicht vorstellen, wie sie vom Rektor und vom Lehrer abgekanzelt worden wäre. Gerade diesen Sommer hat das Bundesgericht aber entschieden, dass ein Mann mit Hang zur Kinderpornografie «eine wesentliche persönliche Voraussetzung für einen Volksschullehrer nicht erfüllt, und Kinder einen Anspruch darauf haben, von Lehrern ohne manifestes Interesse an Kinderpornografie unterrichtet und erzogen zu werden».

Bei der Frage «Pornografie oder nicht?» geht gerne vergessen, dass nicht alles, was straffrei zugänglich ist, sich auch für den Unterricht mit Pubertierenden eignet. Eine seriöse Berufsauffassung gebietet LehrerInnen, Kindern Belastendes nur dann zuzumuten, wenn es für deren Bildung unumgänglich ist – wie etwa der Holocaust. Im Übrigen sollen die Lernbeispiele positiv und von gesamtgesellschaftlicher Relevanz sein und den Kindern Identifikation ermöglichen. Dies trifft hier nicht zu – man kann Solches schadlos auch im Erwachsenenalter noch lesen. Sexuelles wird sowieso besser der Sexualkunde überlassen – deren Fachleute moderieren altersgerecht, richten sich nach den genuinen Interessen der SchülerInnen und besprechen Heikles nur in geschlechtergetrennten Gruppen.

Mag sein, dass sich ausser der klagenden Mutter niemand gegen die Lerninhalte aussprach. Man kennt jedoch das Phänomen des Gruppendrucks und -zwangs: Kein zartbesaitetes Kind möchte sich als Memme, Prüdeliese etc. outen oder sich die Gunst des Lehrers mit einem Protest verscherzen. Alle Kinder haben ein Recht darauf, Ihre Fähigkeiten im Deutsch an unbelasteten Themen beweisen zu dürfen. Hoffentlich reagiert nun die Bildungsdirektion mit der fälligen Entlassung des fehlbaren Lehrers.