Der Schul

Als ich neulich im Zug sass, wurde ich unfreiwillige Ohrenzeugin. Eine Frau, offenbar im Bildungswesen tätig, malte in drastischen Bildern die Benachteiligung der Knaben an die Wand, so dass diese, bei gleicher Intelligenz, an den Unis schon in der Unterzahl seien. Dies sei eindeutig die Folge der Verweiblichung unserer Schulen. Ich wollte mich schon über die nahende feministische Weltrevolution freuen, denn wie lange kann das noch dauern, wenn jetzt schon die Unis weiblich sind und ausserdem in ausnahmslos allen öffentlichen Klos die Frauen das Zepter schwingen!

Dann folgten jedoch Schmähungen über Kampf-Emanzen, die mit ihrem «Gender-Quatsch» meiner Berufskollegin offenbar die Weiterbildung vergällten; und die wehende Fahne der Sisterhood erschlaffte müde vor meinem geistigen Auge. Als dann auch noch beteuert wurde, wie wenig die verkopfte Schule dem angeborenen Bewegungsdrang der Knaben entspreche, versank ich in ratlosem Grübeln: Wie unbeleckt von geschichtlichen Zusammenhängen darf eine in unserem Beruf eigentlich sein? Aus lauter Solidarität begab ich mich dennoch ins Gedankengebäude meiner Geschlechtsgenossin:

Also, Rad zurückdrehen ins Mittelalter. Die Väter erzogen ihre Knaben zur Feldarbeit. Oder einer war privilegiert und durfte bei einem Meister ein Handwerk erlernen. Meistens wurde er jedoch der Knecht seines Bruders oder ein Tagelöhner – in beiden Fällen war sein Chef glücklicherweise ein Mann, und er konnte gar keine Familie ernähren, die ihn als Erzieher vermisst hätte. Hurra, null Verweiblichung! Später die Industrialisierung: Die Väter gehen in der Fabrik arbeiten, die Mütter kümmern sich um Haushalt, Kinder und ein Zubrot. Grosse Freiheit für wilde Knaben, denn niemand ausser den Reichen hat Zeit für Erziehung! Dann Bürgertum, die Männlichkeit bröckelt: Immer nur rumsitzen in drögen Büros, feingliedrige Sätze drechseln und Kaffee trinken – Weiberkram! Wenigstens regiert in der Schule als Ersatzvater noch ein gestrenger Dorfschullehrer. Allerlei derbe Lausbubengeschichten belegen, dass die Schüler damals noch keine dressierten Affen waren. Immerhin also noch echt männliche Kindheit! Im 19. Jahrhundert nimmt der Abstieg seinen Lauf: Weiber stürmen die Unis und wollen jetzt Lehrerin werden (können ja nichts Gescheiteres). Generationen von Knaben werden seither von infantil tändelnden Frauenzimmern verweichlicht… Vorläufiger Höhepunkt im 20. Jahrhundert: Mit bewusster Absicht, die Wildheit der Knaben zu kastrieren, wird die Koedukation eingeführt. Man nimmt dafür sogar in Kauf, dass das Niveau der Schule drastisch sinken wird! Aber das war offenbar noch nicht die Talsohle: Weiber fahren jetzt Bus, sind Ärztinnen, Juristinnen, Bundesrätinnen – kein Wunder, hat ein echter Bub heutzutage keine Lust auf lebenslanges Lernen mehr. Denn in solchen Zickenklubs will er sicher nicht mitmachen!

Es scheint ausweglos, aber ich sehe einen Kompromiss. Warum auch immer jammern? Lasst doch einfach die Mädchen studieren und Karriere machen. Jene Knaben, die mit dem Räderwerk der permanenten Bildung Mühe bekunden, bleiben zuhause und rennen drei Kindern hinterher. Bewegung, Handarbeit und Abwechslung garantiert – und erst noch Zunahme der Schweizer Bevölkerung. Als symbolischen Ausgleich für die fehlende öffentliche Männlichkeit könnte man die Schule in Zukunft ja «den Schul» nennen …