Stinktank

Nachdem die bürgerliche Schweiz zum Thema der Einwanderung ein lauwarmes Abstimmungs-Schlafwandeln lieferte (Kampf wäre ein zu heftiges Wort dafür), darf uns nicht wundern, dass Avenir Suisse nun zur Umsetzung der verlorenen Abstimmung tief in die neoliberale Trickkiste greift. Wieso hätte man auch in den Ring steigen und sich den Anzug zerknittern sollen, wenn man für jedes sich stellende Problem die passende Lösung a priori parat hat? Kann doch angeblich jede Fehlentwicklung im Kapitalismus einfach mit einer noch höheren Dosis an Kapitalismus korrigiert werden. Folglich also: Versteigerung der Zuwanderungs-Kontingente.

Es würde mich nicht erstaunen, wenn man sich in der Abgeschiedenheit des elitären «Thinktanks», von den tatsächlichen Sorgen und Nöten des Fussvolks schalldicht isoliert, schon vor der Abstimmung dieses Reserve-Ass in den Ärmel gesteckt hätte, um es jetzt ins Spiel zu werfen. Nur allzu neoklassisch, und damit verräterisch, sind die Elemente dieser Scheinlösung. Das kapitalistische Herz blutet ja nicht grundsätzlich, wenn ein begehrtes Gut künstlich verknappt wird – in unserem Fall, indem billige Arbeitskraft aus dem Ausland kontingentiert wird. Denn dadurch steigt ihr Wert, und es wird theoretisch möglich, einen höheren Gewinn abzuschöpfen, wenn damit ein Handel entsteht. Dies erklärt auch, warum neoliberale Extremisten mit Auktionserlösen so etwas Verhasstes wie eine neue Steuer generieren wollen. Sie denken dabei wohl an private Auktionshäuser: Je höher der erzielte Erlös für ein Kontingent, desto höher die Marge der Auktionsbetreiber.

Mit der Zuteilung nach Finanzkraft würde einmal mehr ein Modell durchexerziert, das nicht nur ohne staatliche Lenkung auskommt – sofern man grosszügig über die staatliche Organisation der Kontingen­tierung, der Vergabe der Auktionslizenzen, der Bürokratie um die Kontrolle und Abgabe der Auktions­gewinne etc. hinwegsieht. Sondern es funktioniert auch ohne jedes inhaltliche Abwägen bei der Kontin­gents­­verteilung – etwa nach volkswirtschaftlichen, konjunkturellen, ökologischen oder sozialen Kriterien. Es ergibt sich nämlich ganz von selbst, wer in den Genuss der ausländischen Arbeitskraft kommen soll. Avenir Suisse bejubelt ihre Kopfgeburt: «Dies erlaubt es, die Zuwanderung systematisch in wertschöpfungsstarke Branchen zu lenken.»

Welches sind denn zurzeit die so genannt wertschöpfungsstarken Branchen in der Schweiz? Hmm … Doch nicht etwa die Stammlande der bürgerlichen Elite wie der Finanzmarkt, das Bank- und Versicherungs­wesen, der Immobilienmarkt? Ja, warum auch nicht! Diese Branchen stört es sicher nicht, dass sie sich mit ihrer «starken Wertschöpfung» auch teurere, inländische Arbeitskräfte leisten könnten. Man ist ja nicht blöd, und einem kontingentierten Gaul schaut man schon gar nicht ins Maul, nicht wahr?

Zum Erdbeerenpflücken auf den Schweizer Feldern, zum Putzen in den Schweizer Haushalten, zum Abwaschen in den Schweizer Gaststätten kann man ja illegalisierte MigrantInnen anstellen. In den staatlichen Spitälern und Horten könnte man die Löhne noch etwas drücken, auf dem Bau noch billigere Subunternehmer anstellen – dann bliebe mehr Geld fürs Ersteigern von eingewanderter Arbeitskraft.

Wie bitte? Die Menschen haben kein Brot? Sie sollen Kuchen essen!