Frauenversteher

«Schreiben, was ist.» Was für ein Motto! Ein Mann, drei Worte. Ein preisgekrönter Mann, drei hehre Worte. Sein Wochenblatt (das Possessivum ist intendiert) war eben schon immer «ein Ort der unabhängigen, der unbequemen Reflexion» und «fühlt sich dem publizistischen Realismus verpflichtet». «Vor allen andern lebte das Blatt von seinen Autorinnen und Autoren» – wir merken uns diese Reihenfolge – und «entdeckte die Frau als Zielgruppe». Und logo würden auch wir daraus ableiten: «Aus dem Journalistischen ergibt sich das Politische». Solch Lobhudelei auf die eigene Bude verlangt natürlich nach der Probe aufs Exempel. Suchen wir also nach den Tatsachen und nach den Autorinnen und nach den zielgruppen­gerechten Texten.

Titel der oben zitierten Nummer: «Die Metaphysik der Frau». Die Redaktoren mussten mächtig recherchieren. Frauen verstehen ist nämlich gar nicht so einfach, wenn man kaum eine fragen kann, weil nur zehn dieser «rätselhaften Wesen» in der Redaktion ein- und ausgehen. Um jede Autorin mussten sich sechs Autoren prügeln! Zum Glück können Frauen immerhin selber reden, und so hatten die Autorinnen in dieser Nummer denn auch überdurchschnittlich viel Text: 20 von 134 Spalten – Lob! Normalerweise sind es nur etwa fünf bis zehn Prozent aller Texte, erst recht wenn auf dem Titel steht: «Frauen über alles» oder «Die Biologie der weiblichen Untreue». Dann wird mit einer Art Männerquote der Überfrauung Gegensteuer gegeben. Das ist eben das Politische, das sich aus dem Journalistischen ergibt.

Nun aber zum Inhalt. Von den rund 50 bis 60 kurzen oder langen Beiträgen jeder Ausgabe handeln im Schnitt überwältigende drei von Frauen oder Frauenthemen wie: Frauen wollen keinen Sex, Sie hört, was Babys sagen, Patricia Schmid trägt Pelz, Was Frauen über ihre Brüste denken, Sexgeschäft: Edle Escortagenturen, Sexy Unterwäsche, Beyoncé, Michelle Hunziker, Rihanna, CH-Sexleben: Eliane Schweizer, Der Bitte-Schwängern-Blick, Nadine Strittmatter, Melanie Winiger, Trophäe-Frauen, Naomi Campell, Besuch im Sexkino … Wir Frauen mögen eben nackte Tatsachen.

Aber auch die unbequemen Wahrheiten: Matriarchat im Namensrecht oder Mythos Kinderkrippe oder Doris Leuthard: lächelndes Phantom oder Bizarres Gender-Mainstreaming: «Wenn eine Institution (d. h. Gleichstellungsbüro) immer wieder darauf hinweisen muss, wie wichtig sie sei, dann liegt der Verdacht nahe, dass sie eigentlich überflüssig ist.» Weil die Autoren uns eben sowieso besser verstehen! Auch verständlich, dass in dieser Nummer die Rubrik «Gender Studies» für einmal ausfallen musste, in der die Alibi-Seconda (zwei Fliegen auf einen Schlag!) für gewöhnlich einen Zickenterror-Schaukampf inszenieren muss (einem Mann würde ja sofort wieder Sexismus unterstellt).

So triumphiert der «publizistische Realismus»: Wenn man die Frauen konsequent der Lächerlichkeit preisgibt (Alibi-Nummern, die das Gegenteil beweisen sollen, inklusive), gibts einen Preis: Journalist des Jahres, zum Beispiel.