Lasst mich durch!

Als ich noch jung und idealistisch war, wollte ich Seklehrerin werden. Da ich nicht geräteturnen konnte, blieb nur Fachlehrerin übrig. Statt eines sprachlichen oder naturwissenschaftlichen Sek-Profils wählte ich also zwei sprachliche Hauptfächer. Dass ich damit nicht wählbar sei, schien mir unproblematisch, wollte ich doch gar nicht Beamte werden. Stattdessen erwarb ich eine Zusatzqualifikation für das Fach Werken. Das Fach Zeichnen wollte ich als Nebenfach abschliessen – aber oha: Nach dem Besuch aller Vorlesungen durfte ich nicht an die Abschlussprüfung. Begründung des Direktors: «Nebenfächer für Fachlehrer sind im Reglement nicht vorgesehen.» Aha … (Es war aber auch nicht erwähnt, dass Fachlehrer keine Nebenfächer abschliessen dürften.)  Neben Englisch wollte ich also Werken an der Volksschule geben. Denkste! «Wir können Sie nicht als Werklehrerin anstellen, da Sie Fachlehrerin sind. Fachlehrer werden von der Gemeinde bezahlt, die frei gewordene Stelle ist jedoch kantonal», musste ich mir eins übers andere Mal sagen lassen. Aha.

Ich verlegte die Kunst ins Privatleben, bis ich mich versiert genug für einen neuen Anlauf fühlte: Quereinstieg ins Werklehrerstudium an der damaligen HGKZ. Mein Werdegang schien recht gut auf das ausgeschriebene Profil zu passen. Leider Fehlanzeige. Es fehlte ein Vorkurs, ein Abschluss des Faches Zeichnen – und überhaupt: «Der Quereinstieg ist eher für Studenten anderer Kunstrichtungen gedacht, und nicht für hobbykünstelnde Lehrer», hiess es. Aha?

Dennoch holte ich berufsbegleitend den Vorkurs nach und wollte gleichzeitig das Fach Zeichnen an der neuen Pädagogischen Hochschule (PHZH) abschliessen. Ging leider nicht: «Zusatzfächer können nur aufbauend auf einem EDK-anerkannten Diplom erworben werden (EDK = Erziehungsdirektorenkonferenz). Da Ihnen das Wählbarkeitszeugnis fehlt, ist Ihr Patent leider nicht EDK-anerkannt.» Aha! Einzige Alternative: Ein Stufenumstieg zum neuen Sek-Profil, also zwei weitere Fächer studieren, die weder sprachlich noch musisch sein durften. Zum Glück bekam ich Neurodermitis und musste die Sache vertagen.

Dann endlich ein Lichtblick: Die EDK anerkennt 2006 mein Patent, und so darf ich nun jedes beliebige Fach dazustudieren. Nach anderthalb Jahren Warteliste schliesse ich das Zeichnen ab. Unterdessen kam auch Bologna: Ahoi Europa, verbesserte Durchlässigkeit zwischen den Hochschulen usw! Die neue Hochschule der Künste (ZHdK) bietet den «Master in Vermittlung von Gestaltung und Kunst» für die Gymistufe an. Voraussetzung ist ein Bachelor. Und was ist mein Fachlehrpatent? Irgendetwas zwischen Bachelor und Liz, sagt die PHZH – die EDK zertifiziert jedoch prinzipiell keine Bachelor-Äquivalenz. Eine solche muss die Hochschule selber feststellen. Die ZHdK hat aber den Master-Studiengang ihren eigenen Bachelor-StudentInnen auf den Leib geschneidert, sie haben Vorrang. Zweitens Bachelors analoger Profile anderer Schweizer Hochschulen. Drittens Kunst-Bachelors irgendwelcher Richtungen. Letzens, eventuell, nach eingehender Prüfung und falls noch Plätze frei sind: SeklehrerInnen mit musischen Fächern. Aha?? Erhöhte-Durchlässigkeit-my-Ass!

Glauben Sie mir: Wir Lehrpersonen würden an der Volksschule gerne geeigneteren Leuten Platz machen – aber man lässt uns nicht durch!