Lila Latzhosen

«Müssen wir wirklich wieder die lila Latzhosen hervornehmen?», fragte eine Freundin anlässlich der neusten Anti-Abtreibungsdemo. Ja, müssen wir wohl. Denn der Nationalrat hat nun also tatsächlich die Vorlage gutgeheissen, dass nicht-(mehr)-verheiratete Eltern in jedem Fall die gemeinsame elterliche Sorge ausüben müssen – auch wenn sie sich über deren Ausgestaltung in keiner Weise einig sind. Auch wenn tatsächliche gemeinsame Sorge in der Schweiz praktisch inexistent ist.

Betrachtet man geschiedene oder getrennte Paare, die bereits heute die Sorge teilen, findet man das herkömmliche Muster: Das Nationale Forschungsprojekt 52 erhob, dass sogar in 71% solcher Fälle die Mutter nur betreut und der Vater nur arbeitet. Damit sind rund 30% der «Wohnmütter» aber unzufrieden – sie würden lieber zur alleinigen Sorge wechseln; wenig erstaunlich waren jedoch 91% der «Besuchsväter» mit ihrem Status zufrieden. Nur 1/6 aller «gemeinsam» Sorgenden teilen die Aufgaben tatsächlich paritätisch. Damit wäre schon von allem Anfang widerlegt gewesen, dass es je darum ging, geschiedenen Vätern Gelegenheit für einen Familienalltag mit ihren Kindern zu geben.

Was die Männer nun gewinnen (wenn der Ständerat auch zustimmt), ist reine Verfügungs­gewalt über ihre Ex-Frauen und eine Ehe-ähnliche Mitsprache im Leben ihrer unverheirateten Kindsmütter. Insbesondere das Recht, über den Wohnort mitzubestimmen, gibt ihnen eine Macht, die sich auf die Lebens-Situation der Mutter verheerend auswirken kann. Der Kindsvater kann ihr Studium an einer anderen Uni blockieren, einen Job in einer anderen Stadt, den Wohnsitz beim neuen Freund usw. Wenn er die Sorge jedoch nicht will, muss er gar nichts. Schöne Gleichberechtigung!

Die Problematik der Sorge beginnt keineswegs mit einer Trennung oder Scheidung, und noch nicht einmal mit der Geburt eines unehelichen Kindes. Sondern sie besteht ganz grundsätzlich darin, dass Mütter für die Reproduktionsarbeit, die sie gezwungenermassen leisten, keinen adäquaten Ersatz erhalten: Es gibt dafür keinen Lohn. Frauen büssen das mit tieferer AHV und fehlender Pensionskassenrente. Im Scheidungsfall erhalten sie keinen existenzsichernden Unterhalt. Sie müssen dann auf die Fürsorge – und dieses Geld später auch noch zurück­zahlen. Sie verpassen Jahre auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt und bleiben beruflich oft ein Leben lang unter ihrem Potenzial – inhaltlich und finanziell.

Die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten hatte deshalb verlangt, dass zum Sorgerecht zwingend auch die Sorgepflicht geregelt werden müsse (keine Mitsprache ohne Gegenleistung!), und die elterliche Sorge in einen breiteren inhaltlichen Kontext gestellt werde, namentlich dass bei Scheidungen die Ungerechtigkeiten in der Vorsorge und bei den Alimenten ausgeglichen würden. Dass die Anliegen der Hauptbetreuenden (= Mütter) mindestens gleich berücksichtigt würden. Dass die Entscheidungsbefugnisse abgestuft zugeteilt werden müssten, wobei der hauptbetreuende Elternteil (=Mütter) eben mehr Befugnisse erhalten solle, als jener der sich freiwillig von der Betreuung fernhält.

Dass Simonetta Sommaruga sich gegen ihre ursprüngliche Absicht davon abhalten liess, diese Dinge gemeinsam mit dem Sorgerecht zu regeln, nehme ich ihr sehr, sehr übel. Meine Bundesrätin ist das nicht. Und nun? Auch ohne meinen Aufruf zum Gebärstreik prophezeie ich eine weitere Abnahme der Geburten in der Schweiz und eine Zunahme der Abtreibungen. Lila Latzhosen, Ahoi!