Putz-Kraft

Kämen Sie einmal spontan bei mir zu Besuch, so würden Sie eine Binsenwahrheit eklatant bestätigt finden: Dass nämlich jede Wohnung ein Spiegel ihrer BewohnerInnen ist. Bei mir also ein riesiges «kreatives Chaos». Das ist natürlich ein Euphemismus.

Nicht etwa, dass mir Ordnung und Reinlichkeit schnuppe wären! Immerhin habe ich einige Male eine Haushalthilfe eingestellt. Zunächst informell, weil ich dachte, es sei uns beiden damit geholfen: Die Immigrantin könne Geld verdienen, und ich müsse mich nicht mit Bürokratie herumschlagen. Dann schnitt sie sich jedoch an einem Glas, das am Schüttstein zerbrochen war, in die Hand und kam nie wieder. Das öffnete mir die Augen für die prekäre Versicherungssituation von klandestinen Hausangestellten. So wandte ich mich ans «etc.» und bekam einen legal beschäftigten, waschechten Putzmann vermittelt. Herr Kawasaki war genau der benötigte Mann fürs Grobe, schrubbte wöchentlich den Boden (damals fand ich es noch Rock’n’Roll, ganztägig mit den Strassenstiefeln in der Wohnung herumzuklackern), putzte Bad und Klo und arbeitete den Berg eingetrockneten Schmutzgeschirrs ab, den ich seit seinem letzten Besuch aufgetürmt hatte. Dann zog ich aber aus Herrn Kawasakis Wirkungskreis weg. Netterweise wies mir das Schicksal einen Zukünftigen zu, der mit Hausarbeit vertraut war und mir das Abwaschen eine Weile lang abnahm – bis wir eine Wohnung mit Geschirrspüler fanden. So weit so gut, nur ist das unterdessen eine recht grosse Wohnung mit einigem Umschwung, was halt ziemlich viel Arbeit macht. Einmal hatten wir auch hier eine Putzangestellte. Sie fand sich in unserem «Künstlerhaushalt» inmitten von Büchern, Instrumenten, überall aufgestapelten, aber nirgends aufgehängten Bildern, herumfleddernden Notenblättern, seltsamen Trödel-Sammelsurien, unvollendeten Werken und über alles hinweg breit gestreuten Teenager-Utensilien gut zurecht. Wir räumten auch jedes Mal alle Böden für sie frei. Leider blieb sie trotzdem nicht lange: Ihre Aufenthaltsbewilligung wurde definitiv, und sie konnte eine Ausbildung beginnen. Dass sie ihrer Zukunft ohne Putzjob freudig entgegen sah, konnte ich ihr von Herzen nachfühlen. Ihre Nachfolgerin kam mit den zahlreichen Schmutzfallen in unserem verwinkelten Altbau nicht zurande, und eine weitere Kandidatin sah in meinem Gatten, der damals im Heimbüro arbeitete, einen bartbewehrten Finsterling im dunklen Wald, vor dem sie sich fürchtete. Seither müssen wir wieder selber (nicht) putzen.

Nicht etwa, dass wir uns dafür zu schade wären! Nur haben wir immer Anderes, Dringenderes vor: Sei dies die Erwerbsarbeit, der Nachwuchs, Krankheit und Rekonvaleszenz, der Garten, Hobbys, Erschöpfung, Politik, Lektüre, Schlafen, Weiterbildung oder Ähnliches. Allmählich haben wir uns eine gewisse Gelassenheit gegenüber dem undurchblickbaren Tohuwabohu antrainiert: Bloss nicht noch aufregen darüber. Schlimm ist nur, wenn der Kaminfeger überraschend vorbeikommen will; er kann ja nicht im Garten bedient werden. Ideal sind aber Einladungen oder angekündigte Besuche – dann muss es einfach sein. Flugs manövriert man sich in einen üblen Zeitdruck hinein, und hast-du’s-nicht-gesehen ist der Hausputz erledigt. Zum Glück ist bald Weihnachten!