Stiftet Stiften Sinn?

Stiften ist in! Am Radio* hörte ich, dass letztes Jahr in der Schweiz so viele neue Stiftungen geäufnet wurden wie nie zuvor. Auch die Migros-Zeitung rührte die Werbetrommel für ein neues Buch** über Schweizer Mäzeninnen. Woher kommt nun plötzlich dieser unbändige Wille reicher Menschen, ihr Geld zu verschenken? Soll man sich darüber einfach nur freuen?

StifterInnen sehen sich selber offenbar als verwegene KämpferInnen um das Gemeinwohl, die dem schwerfälligen Staat überlegen sind und dem flüchtigen Geld im wogenden Meer der Weltwirtschaft einen sicheren Hafen bieten. Hedy Graber, Leiterin Direktion Kultur und Soziales beim Migros-Genossenschafts-Bund meint in ihrem Vorwort zur obigen Publikation: «Oft erkennen private Förderer Themen die zukunftstragend sein können, bevor sie für den Staat relevant scheinen. … Private Förderung bedeutet Eigeninitiative, oft schnelles, unbürokratisches Handeln und nachhaltige Investitionen in Bereiche, denen das Interesse des Förderers gilt.» In einem Forum lese ich: «Da ich keine direkten Nachkommen habe, möchte ich verhindern, dass mein Vermögen … nach meinem Leben … in Hände kommt, die mir nicht wirklich genehm sind, und das Geld blödsinnig ausgegeben wird. Dabei ist mir die Idee gekommen, eine Stifung zu gründen und bereits zu Lebzeiten das Vermögen in diese Stiftung zu übertragen. Zwecke der Stiftung wäre anfänglich … mein eigenes Wohl. [Später] die Unterstützung meiner nächsten Verwandten» usw. Dem ehrlichen Ratsuchenden wird natürlich prompt erklärt, dass Solches ungesetzlich wäre. Ich meine, pointiert gesagt: Im Wesenskern unterscheiden sich die hehren MäzenInnen und der Selbstbegünstiger nicht gar so arg voneinander. Ein Teil der Motivation ist immer, die Kontrolle über das angehäufte Vermögen möglichst über den Tod hinaus (steuerbegünstigt) zu sichern. Wie gemeinnützig ist das wirklich?

War es im Fordismus die dem Staat zugedachte Aufgabe, nicht profitträchtige Angelegenheiten dem Markt zu entziehen und zum Gemeinwohl öffentlich zu organisieren, so wird nach neoliberaler Doktrin dem Staat möglichst viel Geld vorenthalten, um es im Finanzkreislauf profitabel werden zu lassen. Da dieser Mechanismus sich offensichtlich, insbesondere auch wegen der immer grösser werdenden Liquidität, totläuft und sogar die Weltwirtschaft destabilisiert (s. Entfesselung des Frankens, Negativzinsen), muss das Geld wieder flüchten – irgendwohin, einfach nicht zum Staat (auch wenn er weder Regime noch Bananenrepublik, sondern «die beste Demokratie der Welt» ist): ergo in eine Stiftung.

Für die Begünstigten ist das kein reines Honigschlecken. Zwar fliesst Geld, aber es herrscht ein rauer Wettbewerb darum. Wer in die Kränze kommen will, muss an viele verschiedene potentielle Geldgeber gewiefte, jedes Mal neu abgestimmte Eingaben verfassen – ein ausgewachsener Papierkrieg. Hinzu kommt: Vor Marktversagen ist das Geld auch in einer Stiftung nicht gefeit – wie etwa im Falle der STEO-Stiftung*, die keine genügenden Zinsen mehr generieren kann und sich nun einfach mit einem grossartigen Schlussbouquet selbst aufbraucht. Da lob ich mir doch fast die demokratisch legitimierte und kontrollierte staatliche Bürokratie …

* SRF2-Kultur, «Reflexe», 14.1.15
** «Weibliches Mäzenatentum als Chance für die Zivilgesellschaft»