Unwillige

Mitten im hitzigen Hickhack, dem schwindelerregenden Strudel und der politischen Polemik um die richtige Umsetzung der grundfalschen «Masseneinwanderungs»-Initiative steht ein Fels in der Brandung: Es sind die Frauen! Und vielleicht noch die Alten (Frauen). Wir können es für alle richten. Unsere «ungenutzte» Fachkraft kann den Mangel beheben, unsere «brach liegende» Arbeitskraft kann die Lücke füllen, die inskünftig fern bleibende AusländerInnen hinterlassen. Wenn wir nur wollen. Wenn wir nur endlich wollten, Sackzement!

Am 16. Juni vermeldet die sda aus dem Parlament: «Anita Fetz nutzte die Gelegenheit, um auf das schlecht genutzte Potenzial gut qualifizierter Frauen hinzuweisen». Am 20. Juni teilt der Bundesrat mit: «Damit die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts gedeckt werden können, soll das Potential der Arbeitskräfte im Inland gefördert und besser ausgeschöpft werden … Möglich ist dies zum Beispiel, wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert wird«. Am 26. Juni zitiert die «Woz» Balthasar Glättli: «Man müsse die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern». Am 30. Juni steht im «Blick am Abend», die SP wolle die Zuwanderungen mit innenpolitischen Reformen reduzieren, «beispielsweise mit einer besseren Nutzung des inländischen Potentials bei Frauen und älteren Arbeitnehmern». Und am 2. Juli bringt tagesanzeiger.ch ein Interview mit Bundesrat Schneider-Ammann, der gerne bestätigt, dass gemäss Arbeitskräfteerhebung «das Potenzial an nicht oder Teilzeit erwerbstätigen Frauen gross» sei. Und: «Wenn man bedenkt, dass die Hälfte der Studierenden Frauen sind, wird dieses Potenzial weiter wachsen. Wir müssen es aktivieren, die Lücken, die drohen, füllen.» Er schwärmt von FDP-Frauen: «Firmengründerinnen oder operative Chefinnen», die «weit über die durchschnittlichen 100 Prozent» arbeiteten. Mit ihnen zusammen appelliert er «an die öffentlichen Körperschaften, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern.»

Nur wollen wir Frauen nicht so recht. Sogar Schneider-Ammanns Frau hat als Tierärztin «nur kurz Vollzeit gearbeitet. Seit wir Kinder haben, arbeitet sie mit einem flexiblen Teilzeitpensum.» Einige von uns finden, 100% oder mehr Erwerbsarbeit lägen neben einer Familie und einem Haushalt nicht drin. Andere wiederum wollen ihre Kinder nicht nur nachts und am Wochenende sehen. Einige haben die Frechheit, ihr Potenzial in Hobbys und Freizeitaktivitäten auszuschöpfen. Vereinzelte versteigen sich sogar zur Ansicht, Vereinbarkeit von Beruf und Familie müsste eigentlich heissen, die Teilzeitarbeit zu fördern statt zu verringern, vor allem auch für Männer. Einige schieben Ausreden vor, etwa, dass sie trotz Vollzeitarbeit keine (inländische) Putzfrau für sich oder keine (inländische) Betagten-Betreuerin für ihre Eltern bezahlen könnten. Ein paar besonders weinerliche verabschieden sich ins Burnout oder in die Altersdemenz. So vermasseln wir Frauen der Schweiz die historische Chance, für die Fremdenfeinde von der SVP die Kohlen aus dem Feuer zu holen.