Glück nach Plan

«Kann ein Paar heutzutage Karriere machen und dennoch eine Familie gründen?», las ich vor einer Weile in unser aller Abend-Schundzeitung. Die Antwort lautete: «Nein, wer rechtzeitig plant und eine Strategie festlegt, partnerschaftlich handelt und klare Prioritäten setzt, kann beides leben.» (Darauf folgte Schleichwerbung für eine Art bezahlte Familienplanungs-Dienstleistung.) Dieser Freudsche Versprecher und die Schizophrenie, die er der Aussage verleiht, sind wohl vom Wahrsten, was ich in diesem Blatt je gelesen habe.

Wahrer jedenfalls als der Slogan der «Vereinbarkeit von Beruf und Familie», den sich Arbeitgeber gerne auf ihre Fahne schreiben. Mir ist bei meinen Arbeitgebern in der Praxis nicht klar geworden, was damit überhaupt gemeint sein könnte. Dass man Frauen einstellt, obwohl sie Kinder haben? Dass man Teilzeitarbeit erlaubt, den gleichen Lohn zahlt? Nun, vielleicht muss frau schon über solche Selbstverständlichkeiten jubeln, denn viel weiter her ist es mit der Vereinbarkeit nicht. Kaum je ist es möglich, kleine Kinder zur Arbeit mitzunehmen, an den wenigsten Stellen gibt’s Betriebskrippen, und die Mehrfachbelastung der Mütter wird bestenfalls hingenommen – solange sie gut verborgen bleibt. Beim Lehrpersonal im Kanton Zürich etwa wurde neulich eine Änderung eingeführt, die vor allem für Frauen eine Verschlechterung bedeutet: Dass es grundsätzlich keine Anstellungen unter 10 Lektionen (ca. 33 Prozent) mehr geben soll. Eine Frau mit mehreren Kindern würde aber unter Umständen gerne längere Zeit ein kleineres Pensum erteilen. Kommt dazu, dass sowohl die Stadt Zürich wie auch der Kanton vom Teilzeit-Lehrpersonal erwarten, dass es schon mit kleinen Pensen (ab 30 bis 40 Prozent) an sämtlichen Sitzungen, Weiterbildungen und sonstigen Anlässen teilnimmt – auch an den eigentlich arbeitsfreien Tagen. Ausser, man hat rücksichtsvolle TeamkollegInnen oder einen netten Chef. Das kommt natürlich vor, aber – und nun sind wir zurück bei der Schizophrenie des obigen Statements – planen lässt sich das nicht. Genauso wenig wie sich das anhaltende Eheglück, die gute Gesundheit, die pflegeleichten Kinder etc. planen lassen, von denen es doch wesentlich abhängt, ob Beruf und Familie unter einen Hut passen. Dabei ist es je länger je öfter sowieso keine Frage des Wollens oder Könnens mehr, ob dieses Lebensmodell angestrebt wird. Immer öfter müssen einfach beide mitverdienen, ganz egal, was die persönlichen Umstände, Wünsche und Ressourcen eigentlich zulassen würden.

Einer anderen Schundlektüre entnehme ich, «Frauen in Spitzenpositionen würden seltener nach klassischen Rollen beurteilt.» Da freut frau sich doch, bis sie weiter liest: «Wenn eine Frau eine Führungsrolle anstrebt, geht der Arbeitgeber davon aus, dass sie entsprechend organisiert ist.» Damit ist eher selten ihr Hausmann gemeint. Sondern es bedeutet in der Regel: Dass sie das Glück hatte, einen bezahlbaren und hochwertigen Krippenplatz zu finden, fitte Eltern oder kompatible Nachbarn zu haben, die zu den Kindern schauen, oder vor der Kinderphase zu genügend Geld gekommen zu sein, um sich Personal leisten zu können. Scheitert diese Selbstorganisation, so droht – nicht nur bei hochgegriffenen Berufsplänen – auch Frauen immer häufiger ein Burnout. Dass Frauen höchst selten die echte «Karriere» gelingt, hat gesellschaftliche Ursachen. Guter Rat ans Individuum ist wohl nett gemeint und evtl. auch teuer – löst aber kaum das strukturell angelegte Problem.