Sinkflug

Wenige saloppe Zeilen war es der Presse bisher wert, dabei ist es eine kleine Sensation: Ein Schulhaus geht an die Öffentlichkeit und wehrt sich gegen das Kaputt-Sparen und Zu-Tode-Reformieren der Volksschule! Die Schule Allenmoos in Zürich hat die Kampagne «Schule im Sinkflug» lanciert und stösst damit auf grosses positives Echo. Gewerkschaften und Verbände solidarisieren sich, die SP hat bereits eine Motion eingereicht, mindestens auf Stadtebene den Forderungen der Schule Rechnung zu tragen. Zahlreiche Blog-Einträge auf www.schule-im-sinkflug.ch bestätigen die Misere aus eigener Erfahrung:

Ausufernde Bürokratie! Der wirtschaftsbürgerlich dominierte Kanton Zürich verlangt am Ende der Schulzeit bestens integrierte, wirtschaftsdienlich zurechtgetrimmte SchülerInnen, bei gleichzeitig abgrundtiefem Misstrauen den «links unterwanderten» Schulen gegenüber. Obwohl seit Jahrzehnten belegt ist, dass Leistungslöhne und unfaire Kontrollen die Motivation zersetzen, werden von LehrerInnen in einer Art Verschriftlichungswahn alle paar Jahre lohnrelevante Dossiers zu ihren Leistungen und teure Evaluationen zum Stand des Schulhauses insgesamt verlangt. Ein Volksschulbetrieb muss zudem – im Gegensatz zum Gymnasium – die ganze Verwaltung ohne Sekretariat abwickeln. Welcher privatwirtschaft­liche Betrieb vergleichbarer Grösse könnte so laufen? Keine Frage, dass es auf Kosten der Kinder geht, wenn immer mehr Ressourcen der LehrerInnen für Papierkram draufgehen.

Reform- und Sparexzesse! Praktisch jede Reform der letzten fünfzehn Jahre – und es waren mehr als fünfzehn – war gleichzeitig eine schlecht verhohlene Sparübung. Blockzeiten an der Primarschule etwa wurden uns Eltern schmackhaft gemacht, damit wir länger am Stück arbeiten könnten. Gleichzeitig wurde aber der grössere Teil des Halbklassenunterrichts aufgehoben. Dies obwohl die PädagogInnen, hätte man sie denn gefragt, schon vorher wussten, dass die Kleinen kaum vier Stunden am Stück auf dem Stüeli sitzen können. Auch für die Fachbetreuung der schwächeren Kinder mit erhöhtem Förderbedarf wurde der Stundenpool massiv gekürzt. Langjähriges bestens qualifiziertes Personal springt ab, weil die prekären Umstände eine seriöse, wirksame Arbeit nicht mehr zulassen. Ebenso wird bei den Räumen passiv abgebaut: Wenn mehr Kinder aus den Kleinklassen in die Regelklassen integriert werden, heisst das nicht, dass die grösseren Klassen dann mehr Räume kriegen. Hatten vorher 23 SchülerInnen Platz, so gehen jetzt auch 26 rein – konstantes Anrempeln und ein unmöglicher Geräuschpegel sind programmiert.

All dies hindert die Berufsleute daran, über echte Reformen nachzudenken, wie etwa Abkehr vom Leistungs-, Gleichschaltungs- oder Notenprinzip … Gut, dass nun passive Obstruktion, ziviler Ungehorsam und sogar Streik ins Auge gefasst werden! «Wir haben ein Abgrenzungspapier geschrieben, was wir alles nicht mehr bereit sind zu tun», schreibt eine Schule. Andere schlagen vor, als Schulteam die Mitarbeiterbeurteilung so lange zu verweigern oder die Administrativaufgaben massiv zu kürzen, bis die fehlenden Stellenprozente gesprochen sind. So muss es wohl gemeint sein, wenn SVP-Kantonsrat Matthias Hauser sagt: «Mehr Geld gibt’s nicht!» und sein CVP-Ratskollege rät: «Setzt halt Prioritäten» (Tages-Anzeiger). Ja doch, tut das, bitte.