Wolf im Schafspelz

Ein neues Gesetz soll die Rollenverteilung der Eltern nach einer Trennung zwingend festlegen. Es trägt den schönen Titel «gemeinsame elterliche Sorge», der Gerechtigkeit und Kindswohl suggeriert. Das ist irreführend. Ginge es wirklich um Gleichstellung, würde ich sofort zustimmen. Aber hier haben wir es mit einem klassischen Wolf im Schafspelz zu tun. Die neue Regelung betrifft in keiner Weise die Zeit, in welcher Eltern sich gemeinsam um ihre Kinder kümmern. Nicht das elterliche Engagement während einer Ehe oder Partnerschaft soll endlich gerecht geteilt werden. Sondern – egal wie ungleich die Lasten in einer Familie mit Kindern verteilt sind – sobald die Eltern sich trennen, sollen beide die gleichen Sorgerechte erhalten.

Das ist ungerecht. Wer während der Partnerschaft mehr umsorgt, soll auch danach ein Anrecht darauf haben! Denn die Frauen suchen sich ihr Engagement mit dem Nachwuchs oft nicht selber aus. Nach wie vor verdienen sie 20 Prozent weniger als Männer; sie werden es sich also weiterhin gut überlegen müssen, ob sich eine Erwerbsarbeit lohnt. Nach wie vor stellen Chefs viel zu wenige Teilzeitstellen für Väter bereit; bleibt ein Vaterschaftsurlaub, der den Namen verdient, Utopie; trägt die Frau das ganze gesundheitliche und arbeitsmarktliche Risiko von Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Nach wie vor sind viele Beziehungen, Ehen und Familien von männlicher Gewalt und Dominanz geprägt. Und nun soll ein Ansatz Gerechtigkeit schaffen, der nach dem endgültigen Scheitern dem Paar strikte halbe-halbe verordnet?

Das hiesse nichts anderes, als dass Leute, die es einfach nicht miteinander können, nun erst recht jedes Detail ausdiskutieren müssen. Es beträfe auch Paare, die sich gar nie staatlich abgesegnet binden wollten, nämlich die unverheirateten. Der Vorstoss wurde 2005 von einem CVP-Parlamentarier eingereicht und von vielen bürgerlichen Exponenten befürwortet – was zeigt, dass es hier auch darum geht, eine dauerhafte eheähnliche Bindung in entmündigender Art durch die Hintertür zu erzwingen, um den männlichen Einfluss zu stärken. Dass etwa Chantal Galladé, die selber noch keine praktischen Erfahrungen in der Materie hat, sich für die Neuerung aussprach, wurde von der NZZ denn auch befriedigt als «Abschied vom überholten Geschlechterkampf» kommentiert. Deshalb greift auch der Verweis auf Frankreich nicht, wo ein ähnliches Gesetz gilt. Denn in Frankreich ist die Gleichberechtigung via Integration der Frauen in die Arbeitswelt, Lohngerechtigkeit und durchgehende Kinderbetreuung viel weiter fortgeschritten als hier.

Dass sich linke Politikerinnen diesen Bären aufbinden lassen, ist peinlich. Ihr eigenes Familienmodell mit paritätischer Lastenverteilung ist zwar super, aber leider nicht Alltag. Die wenigsten Väter beteiligen sich substanziell an der Kinderaufzucht. Und dieser Minderheit gelingt es offenbar schon mit den bestehenden Gesetzen, ihre Rollenverteilung nach der Trennung aufrecht zu erhalten – wie die zahlreichen in den Medien gefeierten Beispiele von Paaren zeigen, die schon vor der Trennung alles auf die Reihe kriegen und drum auch nachher gemeinsam weitermachen können.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wir werden sehen, welche Kämpfe dereinst den Anwälten und Gerichten Arbeit beschaffen werden … Bis dahin: Trau, schau wem!