Don’t ask me…

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich gehöre keiner Partei an, sondern ich sympathisiere mit verschiedenen linken Parteien. Somit darf ich mich zum begehrten Kreis der WechselwählerInnen zählen. Während die Parteien mit der Unterstützung ihrer Mitglieder selbstverständlich rechnen, buhlen sie im Wahlkampf recht eigentlich um unsere Stimmen. Je passender eine Partei sich uns in der Vergangenheit gezeigt hat, desto eher wird ihre Liste verwendet. Am wichtigsten sind jedoch die Menschen, und die werden kreuz und quer über die Listen panaschiert. Denn ein Parteiprogramm ist doch etwas ziemlich Abstraktes. Papier ist geduldig, man kann Luftschlösser bauen; schönreden, was nicht aufgeht; unterschlagen, was nicht rühmlich ist. Von einem Menschen habe ich ein klares Bild. Wenn jemand meine Interessen vertritt, sich erfolgreich einsetzt für meine Anliegen, sich ganz der Sache widmet – dann wähle ich sie. Neue Gesichter ohne Leistungsausweis haben es da naturgemäss schwerer. Aber schliesslich haben alle einmal klein angefangen…

Warum sollten aber verdiente Leute, um von der Partei zur Wahl vorgeschlagen zu werden, erst noch Werbung für sich machen müssen? Warum stellt man die besten Tiere im Stall, die Selbstläufer, die vom Stimmvolk sowieso wiedergewählt werden, in den Regen? Wie ein Schuss in den eigenen Fuss kam es mir vor, was die kantonalen Delegierten der SP mit Anita Thanei veranstaltet haben. «Fähige Köpfe mit klaren Positionen und einem gesunden Pragmatismus, das ist es, was die Wählerinnen und Wähler … wollen – und diese Köpfe haben wir!» So sprach der Kantonalpräsident vor gut einem Jahr, und analysierte weiter: «Dort wo wir mit Bisherigen antreten konnten, wurden diese mit hervorragenden Resultaten wieder gewählt». Freut mich, zu hören! Schwerpunkte für die diesjährige Wahl sollten sein: «Soziale Gerechtigkeit, Kaufkraft und erneuerbare Energien. … Zum Stichwort Kaufkraft … die angestossene Kampagne betreffend bezahlbaren Wohnraum». Aha, dafür gibt’s ja eine ausgewiesene Fachfrau in der Partei! Und weiter: «Wer will denn schon alt gedienten Genossinnen und Genossen, die sich über so viele Jahre für die Partei, für unsere Ideale und Ziele eingesetzt und auch viel erreicht haben, am Zeug herumflicken.» Don’t ask me, I just might tell you the truth! Gleichwohl wurde befunden, dass «personell bei der SP zuwenig Dynamik herrscht, … man nur wenig neue Gesichter sieht, … die SP deshalb für viele nicht besonders frisch und attraktiv wirkt». Hm. Das erinnert mich an die neunziger Jahre, als die SP mit dem attraktiven Slogan «kussecht und vogelfrei» viele nicht so dynamische WählerInnen vergraulte.

Ein Blick in Blogs und Foren zeigt, dass vor allem Frauenhasser und SP-Verächter sich positiv zu Thaneis Nichtnomination äussern. Kaum das Substrat, auf dem der SP-Samen keimen wird. Ich bin jedenfalls sehr enttäuscht, dass mir eine so fähige Politikerin einfach vorenthalten wird. Wenn sie auf Platz 34 der Liste erschienen wäre, hätte ich sie ohne zu zögern anstelle der zwei Erstplatzierten oben hinkumuliert. Dieses Gnadenbrot frisst sie aber nicht, und das zu Recht. Eine Affinität zum Lobbying lässt sich auch mit wiederholtem Arschtreten nicht erzwingen. Schade um all die Kompetenz, die im Nationalrat aufgrund dieser jungdynamischen Zwängerei nun fehlen wird!